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Electro Pop: Electro-Diven im Vergleich

Robyn und Fever Ray kommen aus Schweden, machen Electro Pop und spielen auf dem Berlin Festival. Wer ist die Bessere der beiden? Ein kleiner Härtetest.

ROBYN

Name: Die Sängerin wurde 1979 als Robin Miriam Carlsson geboren. Bereits mit 16 Jahren veröffentlichte sie ihr Debütalbum in ihrer Heimat Schweden und zwei Jahre später im Rest der Welt. Das hineingeschummelte Y im Vornamen lässt ihren Namen englisch wirken. Kluger Schachzug.

Stil: Früher sang sie alles, was Produzenten ihr zumuteten – und das war meist eine Mischung aus Gute-Laune- Pop und R-&-B-Schnipseln. 2005 bekam sie davon solche Kopfschmerzen, dass sie sich aus ihrem Plattenvertrag mit Jive herauskaufte. Fortan schrieb sie eigene Lieder, die unter dem Diktat von Clubrhythmik und Bubblegum-Pop standen.

Hitpotential: Robyn hat ein Händchen für tolle Melodien, eingängige Sehnsuchtstexte und gute Produzenten. Vor drei Jahren stand die Single „With Every Heartbeat“ an der Spitze der britischen Charts und begeisterte auch bei uns die Tanzer. Dieses Jahr brummte der Hit „Dancing On My Own“ aus den Boxen aller Clubs – ob Berlin, Barcelona oder New York.

Schrulligkeit: Trotz ihres Micky- Maus-Images weiß die Schwedin genau, was sie will. Kompromisse macht sie ungern – und bringt deshalb dieses Jahr gleich drei kleine Platten auf den Markt. Die „Body Talk“-EPs (Teil 2 erschien Anfang September) entstanden, weil sie sich nicht entscheiden konnte, welche Lieder denn nun auf ein Album passen könnten. Auch nicht schlecht: Robyn belebt das Armerudern als Tanzstil wieder.

Welteroberungspläne: Sie ist auf jeden Fall sehr ehrgeizig. Für die Bewerbung der aktuellen Platte unternahm sie eine Ochsentour quer durch Nordamerika und natürlich Europa. Eine „schwedische Madonna“ möchte sie trotzdem nicht werden. „Wenn ich 50 wäre, würde ich keine Sekunde darüber nachdenken, ob meine Musik für junge Menschen interessant ist. Ich möchte Musik für Menschen meines Alters machen“, sagte sie einmal.

Komplizen: In der talentreichen, aber überschaubaren Elektro-Pop-Szene Skandinaviens hat sie bereits mit vielen Künstlern zusammengearbeitet: Röyksopp, Kleerup, The Knife (eine Hälfte ist Fever Ray). Für Britney Spears sang sie Hintergrund-Vocals, Madonna wählte sie 2008 für das Vorprogramm ihrer „Sticky & Sweet“-Tour aus – und auf dem neuen Titel „U Should Know Better“ singt sie mit Rapper Snoop Dogg. Man kann mit Recht behaupten: Diese Frau ist vernetzt.

Prognose: Wenn Robyn weiter so hart arbeitet und so beharrlich an flottem Club-Pop schraubt, dann wird sie am Ende doch noch die schwedische Madonna – ob sie möchte oder nicht.

FEVER RAY

Name: Karin Dreijer Andersson wurde 1975 im schwedischen Nacka geboren. Mit ihrem Bruder Olof gründete sie das Elektro-Duo The Knife. Als Solokünstlerin gab sie sich den wenig schmeichelhaften, aber wohlklingenden Namen Fieberstrahl – Fever Ray.

Stil: Bei The Knife orientierte sie sich an düsteren Elektro-Klängen, die genauso viel von der Klaustrophobie aus David- Lynch-Filmen zehrten wie von der Feen- Musik einer Kate Bush. Beinahe wie Indianermusik für Clubs klingen Dreijers entrückte Lieder als Fever Ray.

Hitpotential: Die Musik ist für verschrobene Nachteulen, nicht für draufgängerische Optimisten gedacht. Dass einige ihrer Titel zu größerer Berühmtheit unter heimlichen Autisten gelangten, ist ein Kollateralschaden – und beweist wahrscheinlich, wie viele Menschen tatsächlich unter einer Art Kontaktscheu leiden. Weder The Knife noch Fever Ray legen es darauf an, Hits zu schreiben.

Schrulligkeit: Diese Stimme, die manchmal blechern, manchmal sirenenhaft klingt, treibt Menschen entweder zur Verehrung oder zur Weißglut. Mehr als ihre Stimme kennen die meisten Zuhörer sowieso nicht. Fever Ray verhüllt sich auf Konzerten und Galas. Als sie dieses Jahre den schwedischen Grammy als beste Künstlerin entgegennahm, kam sie in mit einem roten Schleier auf die Bühne – darunter enthüllte sie eine tropfende Gesichtsmaske, durch die sie leider keine Dankesworte sprechen konnte.

Welteroberungspläne: Wahrscheinlich ist Fever Ray glücklich, wenn sie ihre Musik spielen darf, nicht allzu weit weg von zu Hause – und ohne den Zwang, einer Kamera gefallen zu müssen. Paradoxerweise nimmt ihre Popularität mit größerem Verhüllungsaufwand zu. Fast glaubt man Karen Dreijers Andersson schreien zu hören: „Das ist alles nur ein Missverständnis!“

Komplizen: Fever Ray hat bereits mit vielen Künstlern zusammengearbeitet, meist aber nur aus dem skandinavischen Raum. Robyn, Röyksopp und Lykke Li gehören zu ihrem Netzwerk. Mit ihrem Bruder sowie den in Berlin ansässigen Musikern Mt. Sims und Planningtorock hat sie die Opernmusik „Tomorrow in a Year“ über die Entstehung der Arten geschrieben.

Prognose: Je mehr sie sich in aufwendigen Kostümen versteckt, in ihren Videoclips die Grenzen zwischen visueller Kunst und Clubkultur vermischt, umso bekannter wird Fever Ray werden – ob sie nun möchte oder nicht. Von Ulf Lippitz

Konzerte: Robyn: Fr 10.9., 21.15 Uhr, Flughafen Tempelhof, Hangar 4 Stage

Fever Ray: Fr 10.9., 23 Uhr, Hangar 4 Stage

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