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Abstruser Alltag: Eine Seite aus dem besprochenen Buch.
© Knaus

“Der Araber von morgen” von Riad Sattouf: Eine Kindheit im Orient

Riad Sattouf erzählt in seinem Comic “Der Araber von morgen” von seiner Jugend in Libyen und Syrien - und hilft beim Verständnis der Gegenwart, indem er humorvoll Missstände in der arabischen Welt offenlegt.

Als Riad Sattouf ein kleiner Junge war, prägten drei Farben seinen Alltag: das Gelb der Wüste Libyens, das Blau des Meeres in der Bretagne und das Rosarot der syrischen Erde. Dort ist der Zeichner und Filmemacher aufgewachsen. Frankreich spielt in “Der Araber von morgen” allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Sattouf verbrachte seine Kindheit überwiegend im Nahen Osten. In einer Welt, die auf den heutigen Betrachter fremd, ja seltsam anachronistisch wirkt.

Vom militanten Islamismus war Anfang der 80er Jahre ebensowenig zu spüren wie von einer frühlingshaften politischen Aufbruchstimmung. Brutale, skrupellose Diktatoren vom Schlag eines Muammar al Gaddafi oder Hafez al Assad herrschten noch nach Belieben. Der Alltag ihrer Völker war oft trostlos, entbehrungsreich und zuweilen auch abstrus.

Denn zwischen propagandistischem Ideal (Wohlstand, Freiheit) und trister Wirklichkeit (Armut, Unterdrückung, Korruption) klaffte eine abgrundtiefe Lücke. Nicht mal die bestenfalls halbherzig von den Machthabern errichtete Fassade konnte die Missstände kaschieren. All das führt der Comiczeichner dem Betrachter schonungslos vor Augen – mit viel Witz, feiner (Selbst)Ironie und inhaltlicher Tiefe.

Dazu bedient sich Sattouf eines cleveren Tricks: Er gibt seiner autobiografischen Geschichte zwei Ebenen. Da ist zum einen der scheinbar naive Blick eines Kindes mit langen, platinblonden Haaren auf alles, was sein Leben bestimmt. Etwa den in Syrien geborenen sunnitischen Vater. Der setzt zwar auf Bildung und anti-westlichen Panarabismus, aber der eigene berufliche Ehrgeiz bleibt unbefriedigt, zudem schimpft er gerne auf die ihm verhassten Schiiten. Und Demokratie ist für den Bewunderer erbarmungsloser Herrscher a la Saddam Hussein ein Fremdwort.

Doch Riad Sattouf belässt es nicht bei seinen persönlichen Erinnerungen. Der heute 36-Jährige flankiert vielmehr die vermeintlich unschuldige Erzählweise mit einer Stimme aus dem Off. Sie begleitet den Leser über die 160 Seiten, erklärt wichtige Zusammenhänge, macht den historischen Kontext deutlich. Und der Zeichner scheut nicht davor zurück, mithilfe der Satire Missstände in der arabischen Welt schonungslos offenzulegen, Israel-Hass und Judenfeindschaft eingeschlossen. Ton wie Form ergänzen sich dabei nahezu perfekt.

Fortsetzung folgt: Das Cover des ersten Bandes.
Fortsetzung folgt: Das Cover des ersten Bandes.
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Kein Wunder. Riad Sattouf gehört schon seit Jahren zu Frankreichs bekanntesten zeitgenössischen Comic-Künstlern. Von 2004 bis 2014 zeichnete er jede Woche für das Magazin “Charlie Hebdo” jeweils eine Folge seiner Bildergeschichte “Das geheime Leben der Jugend”. Als die Redaktion am 7. Januar 2015 von Islamisten überfallen wurde, gehörte Sattouf ihr nicht mehr an. Er hatte seine Mitarbeit beendet, als “Der Araber von morgen” in Frankreich erschienen war. Jetzt sitzt der Künstler am zweiten Band. Wenn dieser hält, was der erste, kürzlich zu Recht beim Comicfestival Angoulême preisgekrönte Teil verspricht, wird es wieder ein großer Wurf.

Riad Sattouf: Der Araber von morgen. Aus dem Französischen von Andreas Platthaus. 160 Seiten, 19,99 Euro, Knaus Verlag, München 2015.

Unser Autor Christian Böhme ist Nahost-Experte in der Politikredaktion des Tagesspiegels. Mehr Artikel von ihm gibt es hier.

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