Finale des Frankreich-Festivals im Konzerthaus: Eine Freudenhymne
Oliver Messiaens „Turangalila-Symphonie“ triumphiert unter Iván Fischer im Konzerthaus.
Monströs, saccharinsüß, schlagerhaft sind einige Stichwörter, die sich in der professionellen Berichterstattung über die deutsche Erstaufführung der „Turangalila-Symphonie“ Olivier Messiaens in Baden-Baden 1951 finden. Großkritiker H. H. Stuckenschmidt fühlt sich einerseits abgestoßen von dem bizarren Werk, räumt aber ein, dass dessen Kühnheit ihn begeisterte. Die Wogen schlagen nicht mehr ganz so hoch, wenn der vom Komponisten so genannte „Liebesgesang, eine Freudenhymne“ nun in einer herrlich engagierten Interpretation zu erleben ist. Sie krönt das Frankreich-Festival des Konzerthauses zwischen Französischem und Deutschem Dom am Gendarmenmarkt.
Riesiger Orchesterapparat, zahlreiche Perkussionisten, Glockenspiel, Vibraphon, Celesta, Klavier und Ondes Martenot sind im Einsatz, um eine Symphonie von inniger Gläubigkeit zu realisieren. Der Titel aus dem Sanskrit kombiniert Bedeutungen wie Zeit, Bewegung, Rhythmus und Spiel.
Maestro Iván Fischer erklärt dem Publikum, dass er eine pausenlose Aufführung der 80-minütigen Symphonie bevorzuge, weil der Liebesgesang nach dem Freudensatz ohne Pause noch „viel schöner“ zur Entfaltung komme. (Messiaen hätte eine Pause immerhin erlaubt.) Jener fünfte der insgesamt zehn Sätze trägt neben der Tempoangabe zugleich die Spielanweisung: „vif, passioné, avec joie“. Mit der Leidenschaft und Freude verbindet das Stück äußerste Kompliziertheit, weil Messiaen mit mehreren rhythmischen Reihen arbeitet, die er sukzessiv moduliert und ergänzt. „Komponist und „Rhythmiker“ hat er sich genannt.
Iván Fischer stürzt sich mit dem Konzerthausorchester in einen ekstatischen Taumel, dessen Präzision zu bewundern ist. Folgt „très tendre“ die Nummer 6, eine Träumerei um das wichtigste der vier zyklischen Themen, das Liebesthema, im „Garten des Liebesschlummers“, Lobpreis mit Vogelstimmen.
Eklektisch zwar, wirken tonale Elemente durchaus als Farbwerte, als Zeichen von Reinheit und Hymnus, da die Liebe als sinnliches wie als geistiges Phänomen besungen wird. Das Wesen der Komposition stellt sich heute als stolze Unbeirrbarkeit dar.
Die Celesta sorgt dafür, dass momentweise die Silberne Rose duftet. Wichtiger noch sind die Solopartien: Ondes Martenot, das elektronische Tasteninstrument, wird von Valérie Hartmann-Claverie sensibel traktiert in seiner dominierenden Einstimmigkeit. Und der wunderbare Pianist Roger Muraro schreibt französische Musikgeschichte fort. Denn er ist Schüler Yvonne Loriods, die den immens schwierigen Klavierpart des Werkes 1949 in Boston kreiert hat. Die legendäre Pianistin wurde später Ehefrau des Komponisten. So lernte Muraro auch Messiaen kennen. Dessen Interpret zu sein, hat er sich zu einem Lebensthema gemacht. Er gibt weiter, was er an Erfahrungen sammeln konnte. Und so schmückt er auch diesen großen Konzertabend mit virtuosen Kadenzen.
Noch einmal am heutigen Sonntag um 16 Uhr im Konzerthaus.