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Die Festsäle von Schloss Hartenfels mit dem Großen Wendelstein, dem prächtigen Treppenhaus.
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden Foto: Hans Christian Krass

Luther und Torgau: Eine feste Burg

Torgau mit Schloss Hartenfels war zu Beginn das politisches und religiöses Zentrum der Reformation. Ein Besuch in Stadt und Schloss aus Anlass der Ausstellung "Luther und die Fürsten"

Was verbindet man mit Torgau? Den gefürchtete Jugendstrafhof der DDR? Das Zusammentreffen amerikanischer GI’s und Roter Armee vor 70 Jahren? Aber denken wir auch an Luther, an das politische Zentrum der Reformation und das am besten erhaltene Renaissance- schloss Deutschlands? Torgau ist noch ein Geheimtipp außerhalb der Region. Das wird sich in den kommenden Monaten ändern. Hier wurde soeben die 1. Nationale Sonderausstellung zum 500. Reformationsjubiläum unter dem Titel „Luther und die Fürsten“ eröffnet, die noch bis zum 31. Oktober die Geschichte der Reformation erzählt. Torgau ist der prädestinierte Ort für diese Einleitung des Reformationsjubiläums von 2017. Wer sich mit dem Auto der ehemaligen Residenzstadt der sächsischen Kurfürsten an der Elbe nähert, ist erstaunt über die gewaltigen Dimensionen der Schlossanlage, die hoch über der Elbe thront. „Ein wahrhaft kaiserliches Schloss!“, hat Kaiser Karl V. bei seinem Besuch gesagt. Die Lutherstadt Wittenberg und Eisenach mit der Wartburg, wo Luther lebte, sind mit der Reformation im öffentlichen Bewusstsein eng verbunden. Doch in Torgau fand Luther in Kurfürst Johann Friedrich mit dessen Machtantritt 1532 einen Landesherrn, der ihn unterstützte. Mehr als 40 Mal kam er von Wittenberg nach Torgau als Ratgeber des Fürsten. Von dort aus nahm die Reformation politisch, religiös und administrativ ihren Ausgang.

Schloss Hartenfels ist das erste Schloss, dass protestantischen Machtanspruch ausdrückt. Davon zeugt das große kurfürstliche Wappen über dem Eingang zum Schlosshof.
Schloss Hartenfels ist das erste Schloss, dass protestantischen Machtanspruch ausdrückt. Davon zeugt das große kurfürstliche Wappen über dem Eingang zum Schlosshof.
© Rolf Brockschmidt

Schloss Hartenfels hat Johann Friedrich gleich nach seinem Amtseintritt umbauen lassen. Es ist im wahrsten Sinne als Symbol fürstlicher Machtdemonstration und „feste Burg“ das größte Exponat der Ausstellung. Die Verbindung mit dem Protestantismus wird schon baulich durch die Kapelle geschaffen, die sich in einem Seitenflügel des Schlosses befindet. Sie ist die erste neu gebaute protestantische Kirche und wurde von Luther selbst mit einer Predigt 1544 eröffnet. Weitere Teile der Ausstellung, die von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden veranstaltet wird, finden sich in den kurfürstlichen Gemächern gleich nebenan und in einem Flügel des Schlosses gegenüber der Kapelle. Andere Stationen der Ausstellung sind in der Kanzlei, dem Zentrum der kurfürstlichen Verwaltung und der Superintendentur, dem Zentrum der kirchlichen Verwaltung, untergebracht.

Die Ausstellung „Luther und die Fürsten“ im rechten Schlossflügel verschafft dem Besucher einen Überblick über die Geschichte der Reformation. Ein interaktives Stadtmodell zeigt eindrucksvoll am Eingang die Dimensionen der Stadt, des Schlosses und die Orte der Reformation. Flugschriften, die von der Decke zu fallen scheinen, stimmen im Treppenhaus auf die Zeitenwende ein, die mit der Reformation begann. Die Ausstellung startet mit dem Jahr 1515, als der Papst mit Ablassbriefen den Bau von St. Peter in Rom finanzieren wollte, und endet 1591 mit dem Torgauer Bündnis.

Interessant ist die Ausstellungsarchitektur: Zwei in mit prächtigem roten Stoff bespannte Wände zeigen in eingelassenen Vitrinen Insignien katholischen Prunks und katholischer Macht sowie einen Zirkel aus der Bauhütte von St. Peter in Rom. Die 95 Thesen Luthers von 1517 werden mitten im Raum präsentiert. Die roten Wände verengen sich und geben den Blick frei auf einen offenen Raum mit grünem Stoff im Hintergrund, die Stellwände sind von Naturholzpaneelen eingefasst. Hier beginnt die Reformationsgeschichte. „Der katholische Prunk verdeckt die Strukturen, die nun im Protestantismus klar zu Tage treten“, sagt Ausstellungsarchitekt Noel McCauley, der gemeinsam mit Tom Duncan das gestalterische Konzept erarbeitet hat.

Martin Luther, hier auf einem Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren von 1532, erfuhr auf Schloss Hartenfels politische Unterstützung für seine Reformvorhaben.
Martin Luther, hier auf einem Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren von 1532, erfuhr auf Schloss Hartenfels politische Unterstützung für seine Reformvorhaben.
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Hans Peter Klut

Das Erdgeschoss führt durch die Reformation. Die Papstbulle gegen Luther zeugt ebenso davon wie seine Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, in der dem einzelnen Menschen seine eigene religiöse Identität zugebilligt wird. Eine Position, die auch dem Selbstverständnis der Kurfürsten entgegenkommt, gibt sie ihnen doch mehr Spielraum gegenüber dem Kaiser. Von dem erstarkten Selbstbewusstsein der protestantischen Fürsten zeugen die kleinen Porträtbilder, die Johann I. von seinem Onkel Friedrich III. von Sachsen und seinem Vater Johann dem Beständigen in der Cranach-Werkstatt in Auftrag gegeben hatte. 60 Bildpaare wurden in Serie gemalt, zu jedem Bild passend ein kurzer Text formuliert. Deutlich wird das Bekenntnis der sächsischen Kurfürsten in dem Gemäldefragment „Johann Friedrich von Sachsen und die Wittenberger Reformatoren“ von Lucas Cranach dem Jüngeren von 1547.

Wie sehr es nicht nur um den Glauben, sondern auch um die Macht ging, zeigt die Niederlage des sächsischen Kurfürsten aus dem Hause der Wettiner in der Schlacht bei Mühlberg 1547 gegen die kaiserlichen Truppen. Kaiser Karl V. übertrug daraufhin die Kurwürde Sachsens an Herzog Moritz von Sachsen in Dresden, selbst auch Protestant, aber aus politischem Kalkül auf Seiten des Kaisers, bis er sich 1552 doch zum Aufstand gegen Karl V. entschloss. Erst im Augsburger Religionsfrieden 1555 schien der Friede zwischen den beiden Konfessionen hergestellt, die sich dann gegen die Calvinisten verbanden.

Im Obergeschoss des Schlosses wird der weitere Verlauf der Reformation und Gegenreformation dargestellt, die Herrscherporträts von Kurfürst August und seiner Frau Anna zeugen vom neuen Selbstbewusstsein. Kurios das Verhältnis zum katholischen Bayern. Als nach Einführung der Reformation das Reliquiar des Benno von Meißen, des sächsischen Heiligen, zuerst versteckt wurde, kaufte Albrecht V. von Bayern das Behältnis und ließ es nach Bayern in Sicherheit bringen. Nun ist der heilige Benno zur Freude von Dirk Syndram, Direktor des Grünen Gewölbes in Dresden und Kurator der Ausstellung, erstmals nach 500 Jahren nach Sachsen zurückgekehrt. Eine weitere Kuriosität aus der Ausstellung: Auch der Erzbischof von Köln hatte die neuen Zeiten noch nicht ganz verstanden. „Er hatte sich in eine Nonne verguckt und auf den Augsburger Religionsfrieden gehofft, um seine Beziehung zu legitimieren, doch dabei hat er überlesen, dass der nicht für Geistliche galt“, erzählt Syndram. Ein Heer hatte den Bischof aus Köln vertrieben, und so gelangte sein kostbares Abendmahlgeschirr nach Dresden in die Kunstsammlungen.

Die Schlosskirche wurde als erste protestantische Kirche unter Beteiligung von Luther geplant und 1544 von ihm mit einer Predigt eröffnet. Die Kanzel steht im Mittelpunkt des Kirchenraumes.
Die Schlosskirche wurde als erste protestantische Kirche unter Beteiligung von Luther geplant und 1544 von ihm mit einer Predigt eröffnet. Die Kanzel steht im Mittelpunkt des Kirchenraumes.
© Rolf Brockschmidt

Wirklich nah am weltbewegenden Geschehen fühlt man sich in der Schlosskapelle, bei deren Gestaltung Martin Luther mitgewirkt hat. Während der Ausstellungszeit ist seine Eröffnungspredigt in einer Klanginstallation zu hören. Der Kurfürst konnte von seinen Gemächern im ersten Stock direkt in die Kapelle auf die Galerie gelangen. Dort werden der Siegelring Luthers und weitere Objekte aus seinem Besitz ausgestellt.

Verlässt der Besucher das Schloss Richtung Stadt, gelangt er zur kurfürstlichen Kanzlei, dem Verwaltungszentrum der Reformation. Hier wurden die ersten Formulare überhaupt entwickelt, um den umfangreichen Schriftverkehr, der mit der Annahme des neuen Glaubens zusammenhing, bewältigen zu können. Hier kann man sich auch über die Medienrevolution jener Zeit mit entsprechenden Flugblättern informieren und lernen, mit welchen Wörtern Luther die deutsche Sprache bereichert hat: Lästermaul, Machtwort, Lockvogel, Ebenbild, Herzenslust, Sündenbock, Fallstrick, Bilderstürmer, Morgenland und Abendland und viele mehr. Auch die Institution der Ehe musste nun weltlich geregelt und verwaltet werden. Dabei erlaubten die Reformatoren Luther und Melanchthon, wenn auch widerstrebend, dem hessischen Kurfürsten eine Doppelehe. Nur in diesem einen Fall machten sie eine Ausnahme – aus politischem Kalkül.

In Torgau sind mehr als 500 Gebäude aus der Zeit der Renaissance erhalten. Schon an den Dimensionen des Rathauses am Marktplatz und der umliegenden Häuser lässt sich ein gewisser Wohlstand ablesen. Die Torgauer waren tüchtige Bierbrauer und die Stadt selbst die bevorzugte Residenz der sächsischen Kurfürsten. In manch einer Gasse könnte man meinen, Luther sei soeben vorbeigekommen.

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