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Hereinspaziert. Das Foyer – Kitty Kleist-Heinrich hat viele Orte in ihrer Langzeitdokumentation in sechs Jahren ungefähr hundertmal fotografiert.
© Kitty Kleist-Heinrich

Zeitung im Salon am 22. November 2019: Ein Palast von einem Schloss

Die Fotografin Kitty Kleist-Heinrich und der Journalist Moritz Holfelder sprechen im Tagesspiegel-Salon über den prominentesten Neubau der Republik.

Ihr größter Fan ist Herr P. Wann immer Tagesspiegel-Fotografin Kitty Kleist-Heinrich eine neue Bilderserie vom Schlossbau ins Netz stellt, ist Herr P. dabei und schickt ihr Kommentare. „Er lobt die Bilder, aber er weist mich auch auf Fehler hin“, erzählt Kleist-Heinrich – etwa wenn sie in einer ihrer launigen Bildunterschriften mal gar zu salopp formuliert und leicht danebenliegt. Eine mittlerweile langjährige Beziehung: Seit sechs Jahren begleitet die Fotografin den Bau des Schlosses in einer Langzeitdoku.

Die Idee dazu kam ihr einen Tag nach der Grundsteinlegung 2013. Seitdem hat Kitty Kleist-Heinrich alle paar Wochen und Monate die Baustelle besucht und rund 2000 Außen- und Innenaufnahmen gemacht, 700 davon sind auf der Tagesspiegel-Webseite nachzuklicken. Und die schönsten Aufnahmen – Panoramablicke, Detailaufnahmen, lustige Szenen und Begebenheiten, im Schnee, im Sommer – gibt es bald auch als Buch: „Das neue Berliner Schloss“ erscheint am 25. November im bebra-Verlag (192 Seiten, 26 Euro.)

Uns geht die Puste aus

Eigentlich sollte um diese Zeit das Humboldt-Forum im Berliner Schloss ja selbst eröffnen. Als im Juni die Nachricht von der Verschiebung des Eröffnungstermins kam, kommentierte Kleist-Heinrich das in ihren Bildunterschriften so: „Wir hatten uns schon so darauf gefreut, von unserem Langzeitprojekt Abschied nehmen zu können. Und nun? Uns geht langsam die Puste aus. Wir haben Ihnen alle Eckdaten wie Höhe, Tiefe, Breite geliefert und Sie mit gefühlten eine Million Fotos zugeballert. Wenn das hier in 2020 nicht läuft, Freundinnen und Freunde, dann ist aber Schluss!“

Erst mal ist aber nicht Schluss, sondern Salon. Am 22. November findet die Buchpremiere im Tagesspiegel-Haus statt, moderiert von Kultur-Autorin Christiane Peitz. Auf dem Podium wird dann neben Kitty Kleist-Heinrich auch ein zweiter Kenner des Ortes sitzen: der Kulturjournalist Moritz Holfelder, der ebenfalls gerade ein Buch veröffentlicht hat: „Unser Raubgut. Eine Streitschrift zur kolonialen Debatte“ (Christoph Links Verlag, 222 Seiten, 18 Euro).

Eine Ossi, ein Wessi

Die beiden sind ein gegensätzliches Paar. Denn Kitty Kleist-Heinrich ist 1968 in Ost-Berlin geboren worden und dort aufgewachsen, sie hatte aber zum Palast der Republik kein besonderes Verhältnis – „der hieß im Osten gar nicht Erichs Lampenladen, wie immer behauptet wurde. Ich war nur ein einziges Mal drin, das sagte mir nichts.“ Es tat ihr daher auch nicht weh, als der Palast abgerissen wurde, sie begleitete vielmehr mit Neugier und Begeisterung das, was an seiner Stelle entstand: das Schloss.

Moritz Holfelder, zehn Jahre älter als Kleist-Heinrich, ist dagegen ein echter Wessi, in Franken geboren. Aber ihm hatte es der Palast der Republik angetan, über ihn schrieb er 2008 ein ganzes Buch: „Palast der Republik. Aufstieg und Fall eines symbolischen Gebäudes“. Zum Schloss hat Holfelder ein zwiespältiges Verhältnis, sowohl zum Gebäude selbst als auch zu dessen geplantem Inhalt. Das Schlossgebäude empfindet er als „ewig langen Klotz aus Beton, dem die historische Fassade als Behauptung vorgemauert wurde. Handwerklich beeindruckend, aber steril und ohne Seele“.

Feudalistische Herrschaftsarchitektur?

Und der Inhalt, das Humboldt-Forum? Unter anderem sollen dort die ethnologischen Sammlungen der Staatlichen Museen gezeigt werden. Ein schwieriges Erbe, da viele Stücke aus kolonialen Kontexten stammen. Holfelder vermisst klare Bekenntnisse zur Rückgabe von geraubten Stücken an die Herkunftsgesellschaften und fragt: „Kann man mit feudalistischer Herrschaftsarchitektur den Beelzebub des deutschen Kolonialismus austreiben? Ein explosives Gemisch.“

Die Ossi-Schlossfreundin und der Wessi-Schlosskritiker auf einem Podium, dazu viele Bilder und Geschichten über diesen umkämpften Ort in der Mitte Berlins: Das ist die Versuchsanordnung beim Tagesspiegel-Salon. Kitty Kleist-Heinrich jedenfalls freut sich riesig darauf. Und hofft, dass Herr P. jetzt auch mal live dabei ist.

Zeitung im Salon mit Kitty Kleist-Heinrich, Moritz Holfelder und Christiane Peitz. Freitag, 22. November, Beginn 19 Uhr. Eintritt inklusive Sekt und Snack 16 Euro. Infos und Anmeldung.

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