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Lior Shambadal.
© Promo

Pfingstkonzert der Berliner Symphoniker: Ein Orchester überlebt als Selbsthilfegruppe

Beethoven pur: Das Pfingstkonzert der Berliner Symphoniker mit Lior Shambadal in der Philharmonie.

Mit einem Festkonzert werden die Berliner Symphoniker (vormals Symphonisches Orchester Berlin) im Oktober ihre Jubiläumssaison in der Philharmonie einleiten. Was zu feiern ist? Vor nun 50 Jahren wurde der Trägerverein eines Orchesters geboren, das unvergleichliche Widrigkeiten überwunden hat, um nicht unterzugehen. „Wir mussten irgendwas machen“, so fasst Intendant Jochen Thärichen diese Herausforderungen der Not zusammen, die entstanden sind, als der Senat den Symphonikern 2004 jegliche Subvention gestrichen hat. Das reicht von der Suche bezahlbarer Büroräume, Erneuerung des Trägervereins bis zur Selbsthilfe durch Fantasie und Organisation. Und das Orchester lebt!

Thärichen stammt aus musikalischer Verbindung. Er ist Sohn des philharmonischen Solopaukers Werner Thärichen, der unter Herbert von Karajan musizierte, und der Sängerin Alice Oelke. 15 Jahre hat er selbst Trompete im Orchester gespielt, bevor er 1989 dessen Intendanz übernahm, die er seit 2004 ehrenamtlich weiterführt.

Vor ihm liegen fertige Pläne für eine dreiwöchige Japantournee ab Ende Juni mit einem Höhepunkt in der Tokyo Suntory Hall. Im August geht es nach Frankreich, im September nach Korea und im Oktober zum Festival Música Mallorca. Was die Symphoniker im Ausland verdienen, muss in die Finanzierung ihrer Berliner Konzertreihe fließen. Dazu kommen „Fremdveranstaltungen“ wie die Begleitung einer Mozart-Oper im Bode-Museum, aber auch ein paar Sponsoren, darunter Wörlitz Tourist.

Klassik, die das Publikum liebt

Ein über 1000-köpfiger Abonnentenkreis trägt zur cirka 85-prozentigen Auslastung dieser sechs Konzerte an Sonntagnachmittagen bei. Ferner gibt es ein „beliebtes Sonderkonzert zum Jahreswechsel“. Preiswert angeboten wird Klassik, die das Publikum liebt. So spiegeln die Programme nicht zuletzt die Tatsache, dass Ludwig van Beethoven der Lieblingskomponist des Publikums ist, genehmigen sich aber auch in der kommenden Spielzeit feine Extras wie das Flötenkonzert von Carl Reinecke. Ein Junior Classic Ticket (13–23 Jahre) für 10 Euro, einige Eintrittskarten für Flüchtlinge, die gezielt durch kirchliche Vermittlung ausgewählt werden, gehören zum Bildungsauftrag, den sich die Symphoniker leisten. Sie selbst, ein Stamm von 80 Musikern, werden im Einzelnen je nach Termin – Probe oder Veranstaltung – bezahlt.

Und im Doppelhaushalt 2016/17 steht wieder die Unterstützung des Klangkörpers mit 200 000 Euro pro Saison, die der Senat seit 2014 herausrückt. Sodass im Programmheft neben Partnern wie Klassik Radio zu lesen ist: „Gefördert durch das Land Berlin“. Thärichens Traum: dass das Orchester wieder finanziell abgesichert würde.

Das Wesen des Klanges ist helle Klarheit

Chefdirigent seit 1997 und seinen Symphonikern treu ist der Israeli Lior Shambadal, der auch ihre großen Tourneen leitet. Zu Pfingsten dirigiert er als Finale des symphonischen Zyklus in Berlin Beethoven pur, die Symphonien Nr. 1, 2 und 3. Er hat das aufmerksamste Publikum und Musiker vor sich, denen spürbar bewusst ist, dass es hier und jetzt um das Ganze geht. Am ersten Geigenpult sitzt Hans Maile, ehemaliger Konzertmeister des DSO, und die Interpretationen profitieren von seinem führenden Kopf. In der ersten Symphonie, die noch in Haydn-Nähe steht, lebt das Trio im Dialog von Bläserakkorden und Achtel-Passagen der Violinen auch aus Mailes erfahrenem Einsatz. Auf das selten gespielte Werk mit dem heiklen Pizzicato der langsamen Einleitung wird viel Sorgfalt verwendet. In der Es-Dur-Symphonie singen sich die drei Hörner ins Gemüt und Holzbläserqualität spitzt sich zu, wenn etwa die junge Flötistin blendend das „Eroica-Solo“ intoniert. Shambadal, ein gänzlich uneitler Maestro, weiß um die himmlischen Phrasierungen im Larghetto der Zweiten und die Wirkung ihrer kurzen Schlussakkorde. Mit seinen Musikern hält er das Klangbild so deutlich, dass auch die winzigste Unebenheit nicht vertuscht werden kann, weil das Wesen dieses Klanges in heller Klarheit besteht.

Es ist die Musik an sich, die unter der verlässlichen Kontrolle und unpathetischen Hingabe des Dirigenten ihre Spannung entfaltet.

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