ZUR PERSON: Ein kapitaler Hirsch
Konzeptkunst und Künstlerspiele: Der Düsseldorfer Axel Haubrok zeigt seine Sammlung in Berlin
Noch bis vor wenigen Jahren konnten die Museen auf die Sammler zählen: Wer zeigen wollte, was er über die Jahre privat erworben hatte, präsentierte seine Kunst im institutionellen Rahmen. Mit dieser lang gepflegten Allianz ist es nun allerdings vorbei. Inzwischen zeigen Sammler selbständig, was sie besitzen. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie die Räume, die sie dafür entdecken, umbauen oder neu errichten lassen. Manchen missfällt die Ausstellungspolitik der Museen, andere wollen ihr neues Selbstbewusstsein mit einer adäquaten Architektur feiern. Wir stellen in einer Sommer-Serie wichtige Köpfe dieser Entwicklung vor – Privatpersonen, die eigene Räume für die Kunst schaffen, Sammler, die ihre Arbeiten nicht länger im musealen Kanon sehen. Wichtiger ist ihnen das subjektive Statement. Mit allen Brüchen, Vorlieben und Fehlstellen, die eine ausschließlich selbstverantwortete Entscheidung mit sich bringt.
Dieser Ort sollte es sein. Das wusste Axel Haubrok sofort. Den Blick hinaus auf den Springbrunnen vom Strausberger Platz und dann die Karl-Marx-Allee immer weiter runter gen Osten bis zum Horizont, in der Verlängerung genau auf Moskau zu. Da lacht einem Fachmann für Investor Relations wie Haubrok das Herz. Und einem Sammler mit Sinn für den öffentlichen Auftritt ebenso. Denn hier, in der zweiten Etage des ehemaligen Hauses des Kindes, im südlichen Teil der beiden markanten Tor-Bauten von Hermann Henselmann, zeigt der Düsseldorfer Unternehmer, was er in den letzten zwanzig Jahren an Kunst erworben hat.
Mit sicherem Gespür dafür, was sein privater Showroom an der einst bedeutendsten DDR-Magistrale noch immer an politischer Sprengkraft zu bieten hat, überließ er Christopher Williams den Start. Der amerikanische Konzeptfotograf nennt seine Präsentation „Kapitalistischer Realismus“ in Anspielung auf die berühmte Ausstellung von Gerhard Richter und Konrad Lueg 1963 in einem Düsseldorfer Möbelhaus. Über vierzig Jahre später testen Haubrok und Williams den Titel noch einmal auf seine Tragfähigkeit hin – und haben an den Verwirrung stiftenden Implikationen ihren größten Spaß. Kapitalismus kreuzt Sozialismus, statt Pop deutscher Provenienz wie in den sechziger Jahren nun Realismus pur in Form von Fotografie.
Für die Sammlung Haubrok sind solch trickreiche Anspielungen Programm. So lautete eine der ersten Ausstellungen, die der einstige Journalist und Finanzanalyst noch in seiner Berliner Zweitwohnung im Westen der Stadt kuratierte, „B Sharp“. Zu sehen waren lauter Künstler, deren Namen mit dem Buchstaben B beginnen: Christoph Büchel, Martin Boyce, Cosima von Bonin und Tom Burr. Eine andere trug den Titel „1,82“, was genau der Körpergröße des 55-Jährigen entspricht: Sämtliche Werke wurden auf genau dieser Höhe angebracht.
Auch die Kollaboration mit dem britischen Konzeptkünstler Jonathan Monk passt dazu, der gerade eben sein viertes „Jahreswerk“ abgeliefert hat. Nun liegt es in Gestalt von zehn unterschiedlich großen Bronzeplatten vor dem Sammler, der sich am Hintersinn der Konzeptarbeit erfreut. Denn jede Platte steht für ein anderes Künstlerbuch eines Minimalisten; die Maße stimmen exakt überein. Das mitgelieferte Zertifikat nennt sie genau: „4 Sol LeWitt, 2 Lawrence Weiner ...“.
Der größte Coup aber ist der 2004 zwischen Sammler und Künstler geschlossene Vertrag. Zehn Jahre lang zahlt Haubrok jährlich 10 000 Euro und erhält im Gegenzug von Monk ein Werk. Ein Kräftespiel besonderer Art, denn für den Unternehmensberater hat gerade die Wertsteigerung Relevanz, für den Künstler ist der wachsende Erwartungsdruck der Kitzel. Das sind Konstellationen, wie sie der Düsseldorfer Finanzmann liebt. Für ihn ist der Kunstmarkt letztlich nur ein weiteres Feld der Betätigung, „ein anderes ökonomisches Modell“. „Hinter jedem Bild hängt ein Preis“, sagt er flapsig und gibt den Realisten: „Der Künstler, die Galerie und ich sind Wirtschaftspartner. Wir leben in einem Wirtschaftsraum.“
Von diesem ist das Museum zunehmend abgehängt. Kein Wunder, dass es die Sammler mehr und mehr danach drängt, die von ihnen erworbene Kunst selbst öffentlich vorzuführen und nicht mehr nur Leihgaben in institutionellen Ausstellungen zu präsentieren. Die Rede vom Museum als Durchlauferhitzer, als Aufwerter für privaten Kunstbesitz – das können diese Sammler alle nicht mehr hören. Stattdessen gehen sie in die Offensive: „Sammler können sich etwas leisten, was die öffentliche Hand sich nicht mehr leisten kann, nämlich Subjektivität“, sagt Haubrok. „Öffentliche Sammlungen werden dagegen immer gleicher. Kunstgeschichtlich abgesicherte Positionen dominieren.“
Berlin ist auf dem besten Wege, ein Mekka für Privatsammler zu werden, immer mehr ziehen gerade aus dem Rheinland zu. In fünf Jahren, da ist sich Haubrok sicher, wird es bereits einen Führer geben, der durch die interessantesten Kollektionen geleitet. „Das ist mindestens so interessant wie eine geförderte Kunsthalle“, fügt er selbstbewusst hinzu.
Nicht nur die von Haubrok bevorzugten Werke, meist spröde Konzeptkunst, sind schwer verdaulich. Auch mit seinen Auftritten in der Kunstwelt macht es der Sammler vielen nicht gerade leicht. So löste er vor fünf Jahren im Mönchengladbacher Museum Abteiberg weniger mit der Präsentation seiner Arbeiten von Gregor Schneider, Olafur Eliasson, Elmgreen & Dragset, Thomas Ruff und Florian Slotowa einen Sturm der Entrüstung aus als mit dem dazugehörigen Katalog. Zwecks größerer „Transparenz“ und gegen Bezahlung von hundert Mark lud er seine Galeristen ein, im Katalog unter eigenem Briefkopf zu erklären, welche Bedeutung ihr Künstler für das Galerieprogramm besitzt, welchen Stellenwert er für die Sammlung Haubrok hat und was er sonst noch gern verkaufen würde. Der Skandal war perfekt, denn hier führte einer auf Museumsterrain die Mechanismen des Marktes vor. Die meisten Galeristen spielten mit; der hilflose Museumsdirektor fand es „charmant“.
In seinem Showroom am Strausberger Platz hat Haubrok nun die Zügel vollständig in der Hand. Schon in den vergangenen zwei Jahren führte er die Sammlung peu à peu im Zuge von Einzelausstellungen in der Zweitwohnung nahe dem Olivaer Platz vor. Doch das wurde selbst dem Kunst-Afficionado, vor allem aber seiner Frau Barbara, irgendwann zu viel. Mit den 280 Quadratmetern Ausstellungsfläche am Schnittpunkt von Friedrichshain und Mitte sind die Möglichkeiten ungleich größer.
Neben den vier Ausstellungen im Jahr soll es hier auch Diskussionsabende geben, Konzerte, Filmvorführungen. Bevor Jonathan Monk nach Lieferung seines Jahreswerks wieder geht, wird mit ihm ein weiteres Projekt anvisiert. Gemeinsam mit einem anderen Künstlerkollegen soll er demnächst selbst als Kurator wirken und wiederum seine eigene Sammlung präsentieren. Und so wie man den klugen Briten kennt, wird er nicht einfach Bilder zeigen, sondern noch anderes im Schilde führen.
Einen solchen Hinterhalt besitzt zweifellos auch die kommende Ausstellung am Strausberger Platz, die am 28. September pünktlich zum Start des Berliner Art Forums eröffnen wird. Vor zwei Jahren kaufte Haubrok auf der Berliner Kunstmesse von der jungen Bildhauerin Haegue Yang ein „Storage Piece“, wie es gegenwärtig auf der Ausstellung „Made in Germany“ im Entree der Hannoveraner Kestnergesellschaft zu sehen ist. Damals hatte die koreanische Künstlerin aus Platznot ihre Werke mit Folie umwickelt und erst einmal weggestellt. Haubrok kaufte das auf einer Palette stehende Atelier-Sammelsurium sozusagen unbesehen, was der schlummernden Schönheit sogleich allgemeines Interesse sicherte, wie der Sammler mit Stolz erzählt. Nun also, in der zweiten Ausstellung am Strausberger Platz, wird das „Storage Piece“ endlich ausgepackt, womit sich der Kreislauf von Wirtschaft und Kunst in seine nächste Runde begibt. Dem Finanzmann lacht das Herz, dem Sammler ebenso.
Haubrokshows, Strausberger Platz 19, bis 15. Juli; Sonnabend/Sonntag 12–18 Uhr. Bis zum 22. Juli sind Werke unter anderem der Sammlung Haubrok im Düsseldorfer Museum Kunst Palast zu sehen.
Geboren 1951 im westfälischen Bünde, studierte Axel Haubrok in Münster Volkswirtschaft.
Nach seiner Tätigkeit als Journalist und Finanzanalyst macht er sich 1990 in Düsseldorf selbstständig und arbeitet fortan als Unternehmensberater. Seine Agentur ist spezialisiert auf börsennotierte Aktiengesellschaften. Zu seinen bekanntesten Kunden gehören Beate Uhse und Gerry Weber.
Vor zwanzig Jahren erwarb Haubrok erstmals Kunst: ein Bild von
Raoul de Keyser. Das zweite Werk war eine Arbeit von Luc Tuymans. Heute befinden sich in seiner Sammlung über 500 Werke, darunter Arbeiten von Günther Förg, Gegror Schneider, Cady Noland, Manfred Pernice, Wolfgang Tillmans und Johannes Wohnseifer. Seit Mai unterhält Haubrok am Strausberger Platz einen eigenen Showroom, in dem noch bis Sonntag Arbeiten des amerikanischen Fotografen Christopher Williams zu sehen sind.
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