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Der Brachiosaurus ist 150 Millionen Jahre alt und steht seit 1937 im Lichthof des Berliner Museums für Naturkunde.
© Thilo Rückeis

Streit um Dinosaurier im Naturkundemuseum: Ein Hinweis auf die Kolonialgeschichte wäre geboten

Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy regt die Diskussion um eine Rückgabe des Dino-Skeletts aus dem Naturkundemuseum nach Tansania an. Berlin ohne Dino, geht das? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christiane Peitz

Die Dinosaurier wer’n immer trauriger. In dem Schlager über Noahs Arche dürfen die Riesenviecher bekanntlich nicht mit an Bord, weil das Tierweltrettungsboot sonst Schlagseite bekäme. Also bleiben sie an Land und sterben aus. Und jetzt das: Der Brachiosaurus, Berlins beliebter Dino, tierweltweit das größte Exemplar seiner Art, soll möglicherweise weg aus der Hauptstadt, raus aus dem Naturkundemuseum und nach Tansania zurück, in seine Heimat. Diese Diskussion regt zumindest die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy an, die gerade in Frankreich und überall in Europa die Rückgabe von Raubkunst aus der Kolonialzeit fordert: „Lasst uns darüber nachdenken“, sagte sie der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Knochen sind keine Kunst, und wenn sie 150 Millionen Jahre alt sind. Aber geklaut ist geklaut. In dem ostafrikanischen Land war das Skelett des Pflanzenvielfraßes zwischen 1909 und 1913 von Berliner Paläontologen am Berg Tendaguru ausgegraben worden, in der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Eins von tausenden: 250 Tonnen Knochen schafften die Forscher insgesamt an die Spree. Im Lichthof des Museums für Naturkunde steht das Dreizehn-Meter-Tier seit 1937. Kolonialzeit, NS-Zeit, Unrechtsregime, alles nicht gut, wie der Verein Berlin Postkolonial schon länger betont.

Trotzdem war die Sache bisher einvernehmlich geregelt. Tansanias Regierung verlangt die Knochen nicht zurück, auch wenn einzelne Politiker und lokale Gruppen dies fordern. In schöner Regelmäßigkeit reckte der Dino seinen langen Hals jedenfalls im tansanischen Wahlkampf.

"Wie schlimm wäre es für das Publikum, wenn die Originalknochen wieder in unmittelbare Nähe zu ihrer Fundstelle zurückgingen?“, fragt Savoy jetzt in der „Zeit“. Schlimm für viele, ist doch klar. Und da wird es kompliziert: Nicht auszudenken, wenn Berliner Kinder und ganze Schulklassen für den Brachiosaurus demonstrierten. Wenn Bilder um die Welt gingen, „Deutsche Jugend verteidigt koloniales Raubgut“. Und welcher Dino-Freund lässt sich bitte mit einer Gips-Replik abspeisen, wie Savoy sie empfiehlt?

Museumschef Johannes Vogel stellt sich jetzt vor sein kostbares Ausstellungstück. Savoy müsse deutlich machen, „ob sie als Wissenschaftlerin spricht oder als Aktivistin“. Auch erinnert Vogel daran, dass die Arbeiter damals relativ gut behandelt und bezahlt worden seien. Anders als bei den Benin-Bronzen habe es sich bei den Tendaguru-Grabungen nicht um eine Strafexpedition gehandelt.

Ein Hinweis auf die Kolonialgeschichte, wenigstens ein klitzekleines Schild am Riesentier, wäre trotzdem mal angebracht. Fairness und Transparenz: Nicht dass die Raubtier-Tyrannosaurier im Museum bleiben und ausgerechnet der Raubgut-Vegetarier von Bord gehen muss.

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