Captain America: Ein Held mit vielen Gesichtern
Hollywood-Glamour in Berlin: In der Hauptstadt wird zurzeit die US-Großproduktion „Captain America: Civil War“ gedreht. Vor fast 75 Jahren hatte die Hauptfigur ihren ersten Auftritt in einem Comic-Heft.
Es war zu Beginn des Jahres 1941, dass Captain America als Comicfigur zu seinem ersten Kinnhaken – damals gegen Adolf Hitler – ausholte. Ausgangspunkt einer der bemerkenswertesten Erfolgsgeschichten der US-Popkultur, die bis heute anhält. Und der alte Recke ist immer für eine Überraschung gut. Im vergangenen Jahr verkündete der Marvel-Verlag, dass statt des blonden, hellhäutigen Steve Rogers künftig ein Schwarzer das Kostüm des wohl amerikanischsten aller Superhelden tragen wird. Dazu veröffentlichte der Unterhaltungskonzern das Bild einer neuen Version von Captain America, das einen Mann mit afrikanischen Wurzeln zeigt. Es handelt sich dabei um die Comicfigur Sam Wilson, besser bekannt als Captain Americas langjähriger Mitstreiter The Falcon, wie Marvel-Kreativchef Joe Quesada verkündete.
Er kämpfte gegen Nazis, Kommunisten - und Richard Nixon
Das reihte sich ein in frühere Versuche, durch Neubesetzungen der klassischen Heldenrollen zusätzliche Leserschichten zu erschließen. So schlüpfte in einer der zahlreichen Spider-Man-Serien ebenfalls ein Afro-Amerikaner in dessen Kostüm. Bei Captain America, der von Joe Simon und Jack Kirby erfunden wurde und als patriotische Ikone seit 1941 für Freiheit, Frieden und Demokratie kämpft, ist dieser Wechsel allerdings besonders bemerkenswert, da diese Figur auf den ersten Blick einen unkritischen Hurrapatriotismus zu verkörpern scheint, der sich mit den Zielen der US-Bürgerrechtsbewegung und einer Gleichberechtigung von Afroamerikanern nicht unbedingt deckt.
Der Schein trügt jedoch, denn der Charakter ist vielschichtiger angelegt, als es den Anschein hat. Captain America, der es bei amerikanischen Comiclesern an Popularität mit Figuren wie Spider-Man aufnehmen kann, ist alles andere als ein willfähriger Vollstrecker der Politik des Weißen Hauses. Das mag zwar in früheren Comic-Heften und auch in dem ersten Captain-America-Kinofilm den Anschein haben, da die Figur dort als von der Regierung gedopter Supersoldat aus einem US-Militärlabor zum Sondereinsatz gegen die Nazis und den mit ihnen verbundenen Superschurken Red Skull kämpft – aber der Zweite Weltkrieg ist nun einmal eine moralisch eindeutige Angelegenheit, nicht zuletzt aus amerikanischer Sicht.
In seinem eigentlichen Medium hingegen, dem Comic-Heft (auf Deutsch erscheinen die Comics im Panini-Verlag), hat sich Captain America im Laufe seiner sieben Jahrzehnte zu einer viel komplexeren Figur entwickelt, als es der oberflächliche Blick ahnen lässt. So durchlebte der Held in der Nachkriegszeit unter der Regie unterschiedlicher Autoren und Zeichner mehrere politische Häutungen: Anfangs ließ ihn der Marvel-Verlag im Geist des Kalten Krieges noch als „Commie Smasher“ gegen kommunistische Horden, aber auch gegen alte Nazis und ihre Mitstreiter zu Felde ziehen.
Aber spätestens seit Ende der 1960er Jahre änderte sich der Ton: Das Vietnam-Debakel, die Bürgerrechtsbewegung und die Watergate-Affäre gingen auch an Comichelden nicht spurlos vorüber, immer häufiger nahm Captain America kritische Positionen gegenüber der US-Regierung ein und vertrat progressive Ansichten - dazu passt eben auch die Einführung der Figur Falcon 1969 als erster schwarzer Superheld in einem „Captain America“-Heft. Und 1974, als die Verwicklung von US-Präsident Nixon in die Watergate-Affäre vollends publik wurde, griff auch eine längere Comicerzählung das Thema auf: Captain America deckt eine Verschwörung auf, in deren Rahmen eine rechtsgerichtete Putschistengruppe versucht, die Macht in Washington an sich zu reißen. Captain America interveniert – und enthüllt, dass der Anführer der Gruppe der machthungrige Richard Nixon ist. In der Folge wurde aus dem kritischen Patrioten vorübergehend die Figur des Nomad, der seine Verbindung zu den USA aus Protest gegen die Regierungspolitik kappte.
„Eine vielschichtige Symbolfigur“
Eine weitere kritische Phase erlebte Captain America nach einem anderen amerikanischen Trauma: In den Monaten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 thematisierten kritische Autoren wie John Ney Rieber in ihren „Captain America“-Geschichten die Frage, wieweit die Anschläge vielleicht auch eine Folge der US-Politik gegenüber anderen Staaten sein könnten – eine Position, wegen der Rieber vielfach als Vaterlandsverräter beschimpft wurde.
Auch andere Comicautoren machten später deutlich, dass ihr Captain America für den „Krieg gegen den Terror“ der Bush-Regierung nicht zu gewinnen war – so ließ Robert Morales seinen Helden in einer Episode gegen die unmenschliche Behandlung von Gefangenen in Guantanamo protestieren. Und in der jetzt für die aktuelle Comicserie Pate stehenden Miniserie „Civil War“, einer der meistverkauften Comicreihen der vergangenen Jahre, gehört Captain America zu jenen Figuren, die sich gegen die US-Regierung stellen, als die nach einem verheerenden Anschlag mit innenpolitischen Restriktionen reagiert – was gemeinhin als kritische Auseinandersetzung mit dem „Patriot Act“ und anderen innenpolitischen Maßnahmen der Bush-Regierung nach den Anschlägen von 2001 verstanden wurde.
Dieser Held ist eben „eine vielschichtige Symbolfigur, die Raum für unterschiedliche Projektionen zulässt“, erklärt der Kulturhistoriker Robert G. Weiner in der wissenschaftlichen Aufsatzsammlung „Captain America and the Struggle of the Superhero“. Für ihn repräsentiert die Figur „die besten Seiten der menschlichen Zivilisation und die besten Seiten Amerikas“. Und der New Yorker Politikwissenschaftler Mark D. White fasste es in der „Washington Times“ so zusammen: „Unabhängig von den unterschiedlichsten politischen Positionen seiner Autoren verkörperte Captain America über die Jahrzehnte hinweg doch immer die sozialen Werte und Prinzipien, die uns als Amerikaner auszeichnen.“
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