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Der amerikanische Schriftsteller Philip Roth
© Eric Thayer/Reuters

Philip Roth wird 85.: Ein Autor, der konsequent bleibt

2012 kündigte er an, nie wieder einen Roman zu schreiben - und hat sich bis heute daran gehalten: Zum 85. Geburtstag des großen amerikanischen Schriftstellers Philip Roth.

Als er im November 2012 bekannte, dass für ihn die Arbeit des Schreibens ein für allemal erledigt sei, kam das einer Sensation gleich, nicht nur in der literarischen Öffentlichkeit. Er war da zwar noch keine 80 Jahre alt, aber in so einem Alter darf man sich getrost schon mal zur Ruhe setzen, auch als Schriftsteller. Nur hatte Roth in den Jahren zuvor mit der Veröffentlichung zahlreicher schlanker, höchst konzentriert wirkender Romane bewiesen, dass ihm die Stoffe nicht ausgingen, er seine literarische Qualität beizubehalten verstand und ihm nicht zuletzt das Schreiben womöglich leicht fiel.

Doch Roth ist konsequent geblieben, er hat seitdem kein Buch mehr veröffentlicht und auch nicht veröffentlichen lassen, nichts, was womöglich in seinen Schubladen noch gelegen hat und hätte überarbeitet werden können. "Die Bedingungen, die mich dazu gebracht haben, mit dem literarischen Schreiben aufzuhören, haben sich ja nicht verändert", hat er vor ein paar Wochen in einem Interview der "New York Times" gesagt. Schon 2010 habe er das Gefühl gehabt, dass seine beste Arbeit hinter ihm liege: "Ich hatte einfach nicht mehr die geistige Lebhaftigkeit oder die verbale Energie oder die physische Fitness um einen großen kreativen Angriff auf eine komplexe Struktur wie einen Roman zu starten. Jedes Talent hat seine Bedingungen, seine Beschaffenheit, sein Ausmaß, seine Kraft - nicht jeder kann für immer ergiebig sein."

Philip Roth schrieb über 30 Romane

„Nemesis“, eben jener 2010 erschienene Roman über eine Polio-Epidemie in seiner Heimatstadt Newark, New Jersey, ist dann tatsächlich der Abschluss eines aus über 30 Romanen bestehenden Werkes geworden, dessen Grundstein 1958 mit „Goodbye, Columbus“ gelegt wurde. Darin erzählt Roth die Geschichte des in einem ärmlichen Newarker Viertel lebenden Neil Klugman, der sich in die schöne, aus reichem Haushalt stammende Brenda Patimkin verliebt. Diese Liebe hält dem sozialen Gefälle nicht stand, was Roth zu der Erklärung veranlasste: „Schreiben ist für mich das Bemühen, den menschlichen Charakter und das menschliche Geschehen wahrheitsgetreu wiederzugeben; wollte ich leugnen, dass die Angehörigen der Minorität, der ich entstamme, anfällig gegen die Gefahren der menschlichen Natur sind, so würde ich schon mit einer Lüge beginnen.“

Daran hielt er sich in der Folge geradezu sklavisch. Roth hat die tyrannischen Auswirkungen von Familie und Religion zum Thema seines Schreibens gemacht – und die Tyrannei sexueller Begierden, in seinem frühen Welterfolgsroman „Portnoy’s Beschwerden“, in der „Zuckerman“-Trilogie oder dem Spätwerk „Das sterbende Tier“. Er hat zahlreiche Geschichten über junge Männer geschrieben, die sich gegen ihre jüdische Herkunftswelt auflehnen und schreibend die Frauen und die Welt erobern. Das Spielen mit der eigenen Biografie gehörte dabei immer dazu. Viele seiner Romane sind voller lustvoller Tatsachen- und Täuschungsmanöver, „vertrackte, fingierte Briefe an sich selbst, die man Geschichten nennt.“

Roth wurde zum Experten für Alter, Tod und Liebe

Und Roth hat stets versucht, die amerikanische Realität zu verstehen, zu beschreiben und glaubhaft zu machen: satirisch in dem Baseball-Roman „The Great American Novel“ oder der Nixon- und Politgroteske „Unsere Gang“, in „Sabbath’s Theater“ und natürlich in seiner großen amerikanischen Trilogie, deren Abschluss „Der menschliche Makel“ eine Abrechnung mit dem Political-Correctness- Wahn der neunziger Jahre darstellt.

Zuletzt wurde Roth mehr und mehr zum Experten in Sachen Alter, Tod und Liebe. Vermutlich steckt in dem verzweifelt-depressiven Schauspieler Simon Axler, der den Zauber des Spiels auf der Bühne nicht mehr spürt und den er 2009 in „Die Demütigung“ porträtierte, doch eine Menge von ihm selbst, dem müde gewordenen Schriftsteller. „Ich würde kein Buch schreiben, um einen Kampf zu gewinnen“, sagte Roth 1984 in einem Interview. Zuletzt muss das Schreiben doch etwas von einem Kampf bekommen haben – und den glaubte Philip Roth im hohen Alter erst recht nicht mehr gewinnen zu können. Was schade, vielleicht auch sehr weise ist.

Und so hat nun für ihn "das Lesen den Platz des Schreibens eingenommen und bildet heute den Hauptteil, den Anreiz meines denkenden Lebens", wie er in den Interview mit der New York Times weiter ausführte. Immerhin: An einer Autobiografie arbeitet er zumindest, zusammen mit dem amerikanischen Autor Blake Bailey. Heute feiert Philip Roth seinen 85. Geburtstag, vermutlich auch an diesem Tag in dem überrascht-frohen Bewusstsein "am Ende eines jeden Tages immer noch da" zu sein.

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