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Shakespeare schaut über die Schulter. Klaus-Maria Brandauer tritt mit Enoch zu Guttenberg in Berlin auf.
© Mike Wolff

Klaus Maria Brandauer im Gespräch: „Eigentlich bin ich Puck“

Zweifelhafter Frieden: Klaus Maria Brandauer kommt mit Shakespeares und Mendelssohns „Sommernachtstraum“ in die Philharmonie.

Der Schauspieler Klaus Maria Brandauer hat sich nicht zuletzt als Shakespeare-Interpret einen Namen gemacht. Die von ihm verkörperten Rollen reichen von Romeo und Orsino in „Was Ihr wollt“ über Petruccio in „Der widerspenstigen Zähmung“ bis zu Hamlet, den er am Wiener Burgtheater gespielt und später auch inszeniert hat. Dort ist er seit 2013 auch als King Lear zu erleben. Seit vielen Jahren ist Brandauer zudem an Klassikprojekten beteiligt, als Akteur, Opernregisseur oder Rezitator. Shakespeare- und Musikleidenschaft begegnen sich nun am Mittwoch in der Philharmonie (20 Uhr). Brandauer hat aus dem „Sommernachtstraum“ eine Textfassung erstellt, die gemeinsam mit Mendelssohns Bühnenmusik unter der Leitung von Enoch zu Guttenberg von dessen Ensemble „Klangverwaltung“ zur Aufführung gebracht wird.

Herr Brandauer, welche Produktion des „Sommernachtstraums“ hat Sie besonders beeindruckt?

Eine unvergessliche Inszenierung von Peter Brook aus den achtziger Jahren, in einem nahezu leeren Raum, die zu der Frage führte: „Was passiert, wenn Liebe blind macht?“

In welcher Rolle kann man Sie nun in diesem Konzert in der Philharmonie erleben?

Eigentlich bin ich Puck und erzähle dem Publikum die Geschichte. Aber natürlich lasse ich mich auch ein wenig von dem Satz des Handwerkers Zettel leiten: „Lasst mich den Löwen auch brüllen.“

Was fasziniert Sie an Shakespeares „Sommernachtstraum“ so besonders?

Das Stück spricht von unserem Leben, unseren Wünschen und Sehnsüchten, unseren Tagträumen und Albträumen. Jeder kann sich darin wiederfinden. „Wir sind aus jenem Stoff, aus dem die Träume sind, und unser kurzes Leben ist eingebettet in einen langen Schlaf“, wie Prospero in Shakespeares „Der Sturm“ sagt.

Shakespeares Stücke werden ständig neu übersetzt, Sie halten es mit der Schlegel-Tieck-Übersetzung. Was schätzen Sie an diesem „romantischen“ Shakespeare?

Von Romeo über Hamlet bis zu Lear haben mich die Übersetzungen von Schlegel/Tieck begleitet und sie waren ein sehr guter Begleiter. Auch Felix Mendelssohn Bartholdy hat sie ausgewählt. Ihm ist sicherlich aufgefallen, dass der „Sommernachtstraum“ im Original viel archaischer, gewalttätiger und mächtiger ist als in der Übersetzung. Er hat sich trotzdem für das entschieden, was Sie „Romantik“ nennen, und etwas wunderbar Eigenes daraus gemacht.

Würden Sie sich selbst als Romantiker bezeichnen?

Wenn ich nicht romantisch wäre, würde ich mich nicht mit dem beschäftigen, was ich tue.

Es gibt das Klischee, Mendelssohns Musik sei elegant, aber leichtgewichtig.

Elegant vielleicht. Leichtgewichtig aber auf keinen Fall. Mir kommt es so vor, als habe sich Mendelssohn darüber gewundert, dass Shakespeare ihn so gut kennt. Das ist eine Erfahrung, die auch ich und zuerst ganz unbewusst mit seinen Stücken gemacht habe. Der Eindruck, dass er mich ständig beobachtet, wenn ich mich mit ihm beschäftige. Auf der Bühne habe ich oft das Gefühl: Er schaut mir über die Schulter.

Es gibt wie in allen Shakespeare-Komödien auch hier ein Happy-End, bei dem jeder Topf seinen Deckel findet.

Shakespeares Stücke enden oft in einem zweifelhaften Frieden. Auch nach enttäuschter Liebe und schrecklichem Hass, nach Mord und Totschlag muss es irgendwie weitergehen. Trotzdem wird nichts beschönigt oder entschuldigt.

Ihre „Musikkarriere“ begann mit der Sprecherrolle in Schönbergs „Gurreliedern“ unter Zubin Mehta. Inzwischen spielt Musik in zahlreichen Ihrer Projekte eine große Rolle, in der letzten Spielzeit waren Sie Artist in Residence beims Zürcher Kammerorchester. Interessiert Sie die Wechselwirkung zwischen den Kunstformen oder eher der Kontrast, der zwischen ihnen besteht?

Mir gefällt die Idee des Gesamtkunstwerks, bei der Musik und Sprache, Musiker, Schauspieler, Tänzer und Instrumentalisten, Feuer und Wind zusammenkommen und die Künstler voneinander profitieren. Ich mag es, wenn Schauspieler „singen“ und Sänger zu uns „sprechen“. In jedem Fall soll die Aufführung immer ein Fest werden. Einfach ausgedrückt: Handwerk, Kunst, Heiterkeit.

Wie kam es denn zur Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Enoch zu Guttenberg? Was ist das Besondere an der Koproduktion mit ihm und seinem Ensemble?

Enoch ist ein leidenschaftlicher künstlerischer Mensch und ein großartiger Primus inter pares. Ich mag schon den Namen seines Orchesters, „Klangverwaltung“, weil er den erwähnten handwerklichen Aspekt zum Ausdruck bringt. Ich habe mich mit Enoch und den Künstlern, die er um sich versammelt, von Anfang an sehr gut verstanden.

Und was sind Ihre eigenen musikalischen Vorlieben?

Gestern war ich wieder mal begeistert von Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“, und heute geht mir Daddy Cool nicht aus dem Sinn.

Benedikt von Bernstorff

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