Amateurmusiker in der Corona-Krise: Edle Retter gesucht
Weil die Temperaturen fallen, brauchen Berlins Laienchöre und -orchester dringend Proberäume, in denen man Abstand halten kann. Der Landesmusikrat will helfen.
Till Schwabenbauer ist ein Tausendsassa: „Dirigent, Musiker, Wissenschaftler, Projektentwickler“ gibt der 1989 geborene Berliner auf seiner Website als Berufsbezeichnung an, er leitet acht vokale und instrumentale Ensembles in der Stadt und hat außerdem noch ein beeindruckendes Handicap beim Golf.
Macher wie Till Schwabenbauer betrachten Krisen als Herausforderungen – und weil er auch schon vor der Pandemie stets Ausschau nach besonderen Orten hielt, die sich für musikalische Nutzung eigenen, konnte er seinen Chören und Amateurorchestern schnell neue, coronakompatible Probe-Locations organisieren.
„Aktuell proben wir auf der Trabrennbahn Karlshorst“, erzählt er, „da gibt es eine überdachte Tribüne mit erstaunlich guter Akustik.“ Die Spielerinnen und Spieler verteilen sich mit Abstand auf den Bänken, so dass sie gestaffelt sitzen, was dem Dirigenten wiederum die Koordination erleichtert. „Der Geschäftsführer des Pferdesportparks war sofort bereit, uns zu unterstützen“, sagt Schwabenbauer. „Und wenn es für Freiluftproben zu kalt wird, können wir in die alte Wett-Halle umziehen, die eine hohe Decke hat und sich außerdem quer lüften lässt.“
Es gibt viele Ideen für Ersatzspielstätten
Die meisten der rund 120 000 Berliner Laienmusikerinnen und -musiker, die in rund 2000 Chören und 500 Instrumentalensembles aktiv sind, haben bis zum Lockdown in Räumen geprobt, in denen sie dicht auf dicht saßen. Darum sind sie jetzt obdachlos. Größere Säle müssen dringend her, wenn das Wetter Open-Air-Proben nicht mehr zulässt. Darum hat die Senatskulturverwaltung dem Landesmusikrat jetzt eine eigene Koordinationsstelle finanziert, befristet bis März 2021, die aktiv Ersatzspielstätten für die Szene sucht. Ideen für Interims-Proberäume sind unter der Mailadresse raumkoordination@landesmusikrat-berlin.de willkommen.
Groß dimensionierte Kantinen kommen in Frage, Bankettsäle und Werkshallen, die Gropius-Passagen haben gerade ihr Parkhaus für abendliche Chor-Proben geöffnet, Till Schwabenbauer wird in der kommenden Woche eine Reithalle in Wannsee ausprobieren und weiß auch von der Tempelhofer Malzfabrik zu berichten, die ihre überdachte Ladefläche schon mehreren Ensembles zur Verfügung gestellt haben.
Wie wäre es mit den Eingangshallen der Gerichtsgebäude?
Wichtig sind Toiletten vor Ort, idealerweise auch Garderoben und Lagermöglichkeiten für die Noten. Laienchöre brauchen zudem eine Steckdose, in die der Probenpianist sein E-Piano einstöpseln kann.
Justizsenator Dirk Behrendt ist aufgeschlossen für die Idee, in den repräsentativen Eingangshallen der hauptstädtischen Gerichtsgebäude Musik erklingen zu lassen, wenn abends keine Prozesse mehr stattfinden, berichtet Franziska Stoff vom Landesmusikrat. Bald soll es einen Termin geben, bei dem Details abgeklärt werden. Gar nicht kulturfreundlich dagegen zeigte sich die Messe Berlin. Obwohl die Hallen rund um den Funkturm leer stehen und der organisatorische Aufwand überschaubar wäre, wurde eine Anfrage von heimatlosen Ensembles negativ beschieden. In diesem Fall wird sich wohl Kultursenator Klaus Lederer höchstpersönlich als Vermittler einschalten müssen.