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Stones für die Ewigkeit.
© epd

50 Jahre Rolling Stones: Edelsteine für die Ewigkeit

Die Jahrhundertband: Heute vor 50 Jahren traten die Rolling Stones zum ersten Mal auf. Ein Porträt der Unkaputtbaren.

Ende 1963 rumpelten die Beatles mit „I Want To Hold Your Hand“ auf dem Plattenspieler. Mono. „Und jetzt hör dir das mal an!“ Die Nadel sank knisternd in eine neue Rille, andere Platte: „Das sind die Rolling Stones!“ Böses Grollen. „I Wanna Be Your Man“, ihre zweite Single. Den Song kannten wir von den Beatles. John Lennon und Paul McCartney hatten ihn komponiert. Aber diese Version hier? Das war etwas anderes. Gröber, gemeiner, schärfer. Mit verzerrt schreiender Slide-Gitarre, grummelndem Bass und einem unglaublich dicklippigen Sänger. Und dann dieser Name: The Rolling Stones.

„Rhythm ’n’ Blues“ wurde der unerhörte Sound genannt – schmutzig und schlickig aus dem Themse-Delta, London, England: The Rolling Stones waren wirklich wild, in ihrer Musik und Erscheinung, roh und schroff. Ihre Haare waren noch länger als die der Beatles. Und sie trugen keine geschniegelten Bühnenanzüge, eher lässig schluderige Alltagsklamotten. Mit den Stones konnten sich aufbegehrende Jugendliche in den 60ern noch besser identifizieren – und besser abgrenzen: gegen Väter, Lehrer, alte Nazis – das „Establishment“. Die Stones und ihre Fans wurden zum Bürgerschreck schlechthin. Aus heutiger Sicht mag die Aufmachung harmlos wirken, damals wurde erbittert darum gekämpft. Haare, die über die Ohren oder den Hemdkragen wuchsen, waren ein Skandal. Dafür gab es oft genug Prügel.

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Auf einer Zugfahrt von ihrer Heimatstadt Dartford die Themse aufwärts nach London waren Keith Richards und Mick Jagger im Oktober 1961 miteinander ins Gespräch gekommen. Sie waren noch Teenager, als sie ihre gemeinsame Liebe für amerikanische Musik entdeckten: Blues und Rock ’n’ Roll, Muddy Waters und Chuck Berry. Diese knallige Musik, die zu der Zeit in England kaum jemand kannte, wollten sie auch spielen. Und sie fingen an zu üben, gemeinsam mit Dick Taylor, dem späteren Gründer der Pretty Things. Und sie nannten sich „Little Boy Blue And The Blue Boys“.

50 Jahre Rolling Stones in Bildern

Im April 1962 lernten sie im Londoner „Ealing Club“ des Blues-Musikers Alexis Korner Brian Jones aus Cheltenham kennen. Eine Weile nannte er sich Elmo Lewis, weil das der bessere Blues-Name war. Seine Idole waren die alten schwarzen Musiker aus dem Mississippi-Delta. Elmore James, Robert Johnson, Jimmy Reed. Das war tatsächlich ziemlich unerhört – fast 50 Jahre vor Jack White, von dem heute viele glauben, er hätte all das entdeckt.

Und Brian Jones konnte verdammt gut Gitarre spielen, e war der erste Slide-Gitarrist in Großbritannien. Keith Richards stand mehr auf Rock ’n’ Roll und Rockabilly, auf Chuck Berry und den Elvis-Gitarristen Scotty Moore. Aus der Mischung Jones/Richards, aus ihrem ineinander verwobenen Gitarrensound und Jaggers großmäuligem Gesang – und weil sie es nicht ganz so hinkriegten wie ihre Vorbilder – entstand etwas bahnbrechend Neues: „The Rollin’ Stones“, damals noch mit Apostroph, gegründet und benannt vom rührigen Brian Jones. Ohne ihn hätten die Rolling Stones nie existiert.

Den ersten Auftritt hatten sie heute vor 50 Jahren, am 12. Juli 1962 im Marquee Club in der Londoner Oxford Street. Dick Taylor spielte Bass, Ian Stewart Klavier. An den Schlagzeuger erinnert sich keiner. Manche sagen, es war Tony Chapman, andere nennen Mick Avory oder Charlie Watts. Doch der kam, wie der Bassist Bill Wyman, erst etwas später dazu. Womit die Stones komplett waren.

"Die härteste Band der Welt"

Wir rocken die Welt. Ein Jugendbildnis der Stones von 1966 - vorne rechts Gründer Brian Jones, daneben Billy Wyman, Keith Richards, Mick Jagger und Charlie Watts.
Wir rocken die Welt. Ein Jugendbildnis der Stones von 1966 - vorne rechts Gründer Brian Jones, daneben Billy Wyman, Keith Richards, Mick Jagger und Charlie Watts.
© Cinetext/Beyl

Deutschland im September 1965: Überall hingen diese giftroten, querformatigen Plakate: „BRAVO bringt die härteste Band der Welt!“ Ausgerechnet „Bravo“, die Teenager-Postille im Stil der „Bild“-Zeitung, in der die Stones oft genug als „ungewaschene, ungehobelte Rüpel“ verschrien wurden. Aber in einem Punkt hatte die „Bravo“ recht: die Stones waren die härteste Band. Wie ein Orkan fegten sie über die Bühne. Der pure Rhythmus, Energie, die direkt in den Körper fließt. Und alle sind an den Stromkreis angeschlossen. „I’m so glad to be here tonight“ rattert Mick Jagger mit knarriger Stimme, zappelt und wackelt mit dem Kopf, den Armen, den Beinen, mit allem, was er hat. Und sticht rhythmisch mit dem Zeigefinger in die Luft: „I need you, you, you!“. So etwas hatte man noch nicht gesehen.

Und nicht gehört. Brian Jones macht einen Schritt nach vorne, schüttelt die lange blonde Mähne und jagt noch ein paar Stromstöße aus der Gitarre in den Saal. Die Fans kreischen. Kaum einer über 18 Jahre alt. Mädchen fallen reihenweise in Ohnmacht, Brian gefällt ihnen am besten. Die Stones spielen ihre jüngsten Hits „The Last Time“ und „Satisfaction“, und nach zwanzig Minuten ist es vorbei, mit „Bye Bye Johnny“. Münster, Essen, Hamburg, München. Zwölf Mark Eintritt waren damals viel Geld. Und zum Abschluss der kurzen Deutschland-Tournee zerlegen Fans am 15. September die Berliner Waldbühne – auf Jahre durfte es dort keine Konzerte mehr geben.

Video: 50 Jahre Rolling Stones

Während Jagger und Richards sich zu einem veritablen Songschreiber-Team entwickelten, geriet Brian Jones immer mehr ins Hintertreffen und verlor seine Rolle als Bandleader. Er schrieb selber keine Songs, doch als begabter Multiinstrumentalist gab er den Kompositionen der anderen seine ganz speziellen geschmackvollen Klangfarben. Er spielte Cembalo, Dulcimer, Blockflöte, Sitar, Marimba, Autoharp, Orgel und Saxofon. Neueren Songs wie „Lady Jane“, „I Am Waiting“, „She’s A Rainbow“ verlieh der ursprüngliche Blues-Purist ein elisabethanisches Folk-Element.

Nachdem Jones wegen exzessiven Drogenkonsums und zunehmender Unzuverlässigkeit 1969 aus der Band geflogen und kurz darauf, erst 27-jährig, starb, begann mit dem 20-jährigen Gitarristen Mick Taylor eine neue Stones-Ära. Vielleicht ihre beste Zeit, in der sie auch ihre besten Alben veröffentlichten: „Let It Bleed“ (1969), „Sticky Fingers“ (1971), „Exile On Main Street“ (1972). Sie verfeinerten ihre Liebe für Soul- und Countrymusik. Keith Richards stimmte seine Gitarren auf offene G-Stimmung und fand zu seinem typischen „Honky-Tonk-Women/Brown-Sugar“-Riff-Sound. Leider wurde auch der virtuose Mick Taylor mit seinem unverwechselbaren weichen Ton, seinem singenden Sustain und ausgeprägten Sinn für Melodik zur tragischen Figur. Das wilde Leben auf Tour bekam ihm nicht gut. Hätte er 1974 nicht die Band verlassen, sagt er heute, würde er vermutlich nicht mehr leben. Nachfolger wurde Ronnie Wood von den Faces – und wieder begann ein neues Zeitalter.

Waren die Aufgaben vorher klar verteilt – Richards spielte Rhythmus-Gitarre, Taylor alle Soli – flogen Akkorde, Riffs und Melodien zwischen den Sauf- und Spielkumpels Keith und Ronnie nun munter hin und her. Oft brillant, gelegentlich riskant, am Rande des Abgrunds. Aber die Stones überlebten. Harte Zeiten, heftiges Streiten um Ziel und Stil. Mick und Keith gerieten schwer aneinander, die Band stand mehrfach kurz vor dem Aus. Doch dank Jaggers Disziplin und Geschäftstüchtigkeit und Richards Festhalten an seiner Rolle als unverwüstlicher Rock-’n’-RollOutlaw wurden die Stones allen Unkenrufen zum Trotz immer größer. Wie auch die Hallen, Arenen, Stadien, in denen sie auftraten. Die Eintrittspreise stiegen ins Unermessliche. Über 100 Mark. Später 200 Euro. Das wollte man nicht mehr bezahle, aber man ging doch hin, immer wieder, wie im Fieber, über Jahrzehnte. Und ließ sich überzeugen, dass sie immer noch die größte Band der Welt waren. Auch wenn sie sich weit entfernt von ihren Wurzeln. Genau 50 Jahre.

Bücher zum Jubiläum:

The Rolling Stones: 50. Bildband. Prestel Verlag, 352 S., 39,95 €.

Nahaufnahmen. Die Rock’n’Roll-Fotografien von Ken Regan. Collection Rolf Heyne, 288 S., 39,90 €.

Muddy Waters & The Rolling Stones – Live At the Checkerboard Lounge. DVD & CD. Edel Germany.

Marc Spitz: Mick Jagger. Rebell und Rockstar. Edel Verlag, 327 S., 24,95 €.

H.P. Daniels

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