Liederabend: Ebenmaß
Die lettische Opernsängerin Elina Garanca, begleitet von Roger Vignoles, mit einem Liederabend in der Berliner Philharmonie.
Ein Abend der Kontraste. Halb leer die Philharmonie, doch die Fans bereiten Elina Garanca stehende Ovationen. Dann lesen sie, dass die angekündigte Autogrammstunde ausfällt. Dumm, wenn man sich gerade dafür im Shop mit einer CD eingedeckt hat. Der lettische Opernstar kommt aus der Babypause zurück – mit einem Programm „für Clara, Helene und Pauline“, die Adressatinnen der Lieder von Schumann, Berg und Strauss. Sie geht die Karriere vorsichtig wieder an, eine Diva im Licht, die dem österreichischen Sommer „Klassik unter Sternen“ mit den Wiener Sängerknaben verspricht. Als Liedinterpretin lässt sie Wünsche offen, weil ihr eine nachschöpferische Gestaltung weniger im Sinn liegt als die Entfaltung ihres Mezzosoprans. Eher brav klingt daher das Rückert-Lied „Du meine Seele“, bis im Mittelteil „Du bist die Ruh“ ihr dunkles Timbre in seinem Ebenmaß bezaubert. Im Nachspiel zeigt sich ein Meisterpianist, der im Schumann-Ton heimisch ist: Roger Vignoles, britischer Professor für Liedgestaltung.
So dominiert er auch den Zyklus „Frauenliebe und -Leben“. Die Rollenfestlegung der Frau in dieser Poesie Chamissos kann nicht nur Feministen nerven. Trotzdem stellen sich Interpretinnen wie Jessye Norman oder Brigitte Fassbaender der wunderbaren Musik Schumanns. Schwärmerei und Leidenschaft aber kommen bei Garanca kaum auf. Liebliche Pianotöne ersetzen keine Individualität. Mit ihrem Kehlengold müsste die Sängerin sich der Sprache ausliefern, um Singen mit Sagen zu verbinden. Sybill Mahlke