Kleinkunst: Duett kokett
Hommage an die Jugendzeit: Ursli und Toni Pfister präsentieren in der Bar jeder Vernunft ihre Schlagerhelden Peter Alexander und Mireille Mathieu
„Deutscher Sprachraum“ – das sagt sich so leicht: Doch was, außer dem weitgehend identischen Vokabular, verbindet einen Jungen, der 1964 in Bonn geboren wird, mit einem, der im Jahr darauf in Bern zur Welt kommt? Wo berühren sich die Lebenswelten dieser beiden Kinder? In den großen TV-Shows der Siebziger! Wenn sich am Samstagabend die Straßen leeren, wenn sich die Familie vor dem Fernsehgerät versammelt, dann schlagen Peter Alexander oder Mireille Mathieu Brücken zwischen der provisorischen deutschen und der eidgenössischen Hauptstadt. Wenn die Stars hinter die Kulissen von Paris blicken, wenn sie „Wien, Wien, nur du allein“ schmachten, weht ein Hauch von Weltläufigkeit ins Wohnzimmer. Natürlich sind das alles Klischees, die Schlagergefühle so unecht wie die Wimpern, Fingernägel und Frisuren der Interpreten – doch für den Rheinländer Tobias Bonn wie den Schweizer Christoph Marti beginnt damit ihr Sozialisationsprozess.
Dreieinhalb Jahrzehnte später sind die zwei selber Stars im gesamten deutschen Sprachraum, als Kleinkunstfiguren „Ursli und Toni Pfister“. Zeit also für eine Hommage an die Idole ihrer Jugend. In der Bar jeder Vernunft mutieren sie nun selber zu Ikonen der Ablenkungsindustrie, trällern sich durch das schaurig- schöne Repertoire von Peter Alexander und Mireille Mathieu. Was den Abend so groß macht, ist der kluge Verzicht auf jeglichen Zusatzklamauk: Bonn und Marti haben ganz genau hingeschaut, imitieren die Gestik der Vorbilder virtuos – und beschränken sich im Übrigen darauf, die Songs durch jene Art von Gaga-Moderationen zu verbinden, wie man sie aus den Sendungen erinnert, für die man ja immer „eine gehörige Portion Humor“ mitzubringen hatte.
Ganz großes Pantoffelkino sind auch die Kostüme von Heike Seidler: Peter trägt Dreiteiler zum hellblauen Smokinghemd, Mireille fährt vom kleinen Schwarzen mit weißem Jungfernkragen bis zum Federboa-Traum in Türkis gleich ein halbes Dutzend atemberaubend authentischer Gruselfummel auf. Und dann sind da ja noch die Überraschungsgäste, Christoph Bonn als Anneliese Rothenberger, Christoph Marti als Heintje – und Roy Black: „Du bist nicht allein“, schnulzt er, das stilsichere Jo-Roloff-Trio lässt Rumba-Rhythmen pulsieren, ein E-Piano wimmert, sanft schubbert der Schlagzeugbesen übers Trommelfell. Kollektive Gänsehaut. Frederik Hanssen
Bar jeder Vernunft, bis 19. Juni
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