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Gayle Tufts und Klaus Wowereit am Samstag im Tipi.
© DAVIDS

Abschiedsparty für Klaus Wowereit: Du bist so wunderbär

Torte, Tipi, Tingeltangel: Die Denglish-Entertainerin Gayle Tufts und die Berliner Kleinkunstszene sagen Tschüss zu ihrem größten Fan – dem scheidenden Regierenden Klaus Wowereit.

Kinder, liegt hier Liebe in der Luft! Küsschen rechts, Küsschen links, aus Berlin wird doch noch München. Barrie Kosky herzt Adriana Altaras. Thomas Pigor busselt Popette Betancor. Judy Winter knuddelt Helmut Baumann. Gerd Wameling herzt, äh, begrüßt Thomas Ostermeier. Und Klaus Wowereit legt liebevoll den Arm um den zerbrechlich wirkenden, eigens zu seinen Ehren aus Köln angereisten Alfred Biolek. Die beiden sind ein verschworenes Duo aus Politik und Show, seit Wowereit 2003, in den bunten ersten Jahren seiner Regentschaft, bei Fernsehkoch „Alfredissimo“ sein Lieblingsdessert „Charlotte Lorraine“ zubereitete.

Es ist Samstagabend im Tipi am Kanzleramt. Für den scheidenden Regierenden Bürgermeister letzter Programmpunkt einer an Abschiedsovationen überreichen Woche. Und nun folgt mit der ihm gewidmeten Ausgabe der Show „Love“ und dem Empfang „Ein guter Freund“ noch der getanzte und gesungene Tingeltangel-Lorbeerkranz, den ihm Duz-Freundin Gayle Tufts und Holger Klotzbach, der Chef von Bar jeder Vernunft und Tipi am Kanzleramt, winden. 200 Klein- und Großkünstler samt angeschlossenen Gewerken wie RBB-Intendantin Dagmar Reim oder Dehoga- Präsident Willy Weiland füllen zusätzlich zu den Kaufkartengästen das Zelt und blicken erwartungsfroh dem Auftritt der denglischen Entertainerin entgegen.

"We love you, Klaus!"

Gayle Tufts schmettert dem mit viel Jubel (und wenigen Buhs von den Kaufkarten-Zaungästen) begrüßten Wowereit dann auch „stellvertretend für alle Künstler, für die Performer-Community“ ein „We love you, Klaus!“ entgegen. Herrlich, diese von keinerlei Zweifel angekränkelte Selbstverständlichkeit, mit der amerikanische Künstler Politiker umarmen! Das können distanzierte deutsche Kleinkünstler einfach nicht. Nicht mal wenn Klaus Wowereit, ihr größter Anhänger, der so selbstverständlich wie regelmäßig im Tipi, in der Bar oder dem BKA-Theater zu Gast ist und dem die Privatbühnen auch das eine oder andere Lottomittel verdanken, in Politikerrente geht.

„Okay, Richard Gere ist nicht hier, aber dafür habe ich Klaus Wowereit“, ruft Gayle Tufts zum Bürgermeister herunter. Der steht nach ihrer Aufforderung „Zum letzten Mal in seiner Amtszeit frage ich: Mr. Mayor, may I have this dance?“ auffällig hurtig auf der Bühne, um mit ihr als verkrachte Ausgabe von Fred Astaire und Ginger Rogers zu „Let’s Face The Music And Dance“ windschiefe Pirouetten hinzulegen. Der Saal jubelt.

Die Menschen lieben Klaus, den Selbstironiker, Künstlerfreund, Party-Meister, der bei der Bambi-Verleihung 2001 immerhin fast aus einem Pumps Schampus getrunken hat. Nur einer vom Kaufkarten-Tisch murrt lauthals: „Fürchterlich! Der Kerl ist so blöd. Der soll endlich in der Versenkung verschwinden. So wie der der Stadt geschadet hat!“

Das BER-Desaster sei nicht das, was von Wowereit bestehen bleibe

Eine Einschätzung, die Holger Klotzbach, der einst als Kabarettist mit den „3 Tornados“ gegen Herrschende aller Art löckte, in Bezug auf den scheidenden Kultursenator als Freund des Hauses nicht teilt. Vertreter der von Wowereit enttäuschen Off-Kulturszene waren beim Fantreffen im Tipi keine zu erblicken. Beim Anstich einer Wowereit gewidmeten Bären-Torte mit der Aufschrift „Du bist so wunderbär“ im Anschluss an die Show, lässt Klotzbach aufgewühlt von der allumfassenden Herzlichkeit sein vorbereitetes Redemanuskript sein und spricht: „Kein Bürgermeister in Europa hatte je so einen Abschied wie du.“

Das Flughafen-Desaster sei nicht das, was von Wowereits Regierungszeit bestehen bleibe, ist Klotzbach überzeugt – und zitiert eine dem auch durch Wowereits Wirken internationalisierten, neuen Berlin entsprechende englische Weisheit: „The most important things are not things.“ Das Wichtigste seien vielmehr die von Bürgermeister gesetzten Werte wie „Toleranz, das offene Schwulsein, die Liebe zu den Menschen, den Künstlern, dieser Stadt“. Darauf folgt unter aufbrandendem Applaus ein besonderer Dank an „die First Lady“, Wowereits Lebensgefährten Jörn Kubicki.

Klaus Wowereit steigt selbst in die Bütt

Nun ist die Minute gekommen, in der Wowereit selbst in die Bütt steigt, der von den Kreativen wie den Queeren Gefeierte, den das Schwule Museum ab dem 8. Dezember sogar mit einer Ausstellung würdigt. Staatsmännisch ruft er aus: „Ich danke den Künstlern, die diese Stadt bereichern. Die Kultur ist ihr Lebensnerv.“ Und das, was oft etwas abschätzig als Kleinkunst bezeichnet werde, fügt er hinzu, das sei in Wahrheit eine große Kunst. Dann folgt ein unangenehmer Zusatz für die Herren Kosky und Ostermeier: „Besonders schön für einen Kultursenator: Sie trägt sich selbst.“ Vielen Dank, Kompliment, Chapeau an alle, Wowereits Rede ist vorbei. Ades Zabel und Biggy van Blond im Fummel sind inzwischen auch eingetroffen. Die Party kann beginnen.

Sich den Nachfolger Michael Müller in diesem Bussi-Bussi-Gewusel vorzustellen, fällt noch ein bisschen schwer. Obwohl, im Stoff ist er längst. Er hat sich Gayle Tufts Show „Love“ im April bei der Premiere angesehen.

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