Janko Lauenberger: Django lebt
Swing ist wieder in: Der Lichtenberger Gitarrist Janko Lauenberger spielt die traditionelle Gipsy-Version. Eine Begegnung.
Ein Hinterhof voller Punks. Sie sind zu den Aktionstagen des umkämpften Hausprojekts Köpi 137 gekommen. Die Szene ist alarmiert, weil ein paar Tage zuvor in der Nähe ein Haus geräumt wurde. Am Abend wird es zu Auseinandersetzungen mit den über 500 angerückten Polizisten kommen. Doch jetzt heißt es erst mal Feiern. Auf dem Programm stehen Punkbands aus London, Paris, Kopenhagen – und Sinti Swing aus Lichtenberg. Als das Quintett den Hof betritt, wird es Janko Lauenberger mulmig. „Ich dachte, die schmeißen uns achtkantig raus, wenn wir jetzt hier mit Swing-Musik anfangen.“
Doch es kommt anders. Als sich Lauenberger nach ein paar Konzertminuten zum ersten Mal traut, ins Publikum zu schauen, sieht er ein paar hundert junge Punks, die im Schneidersitz neben ihren Hunden hocken und gebannt zuhören. „Die waren fasziniert, sind voll auf die Musik abgefahren, weil sie erkannt haben, dass sie total authentisch ist. Seitdem kann ich mit geschlossenen Augen erkennen, ob Applaus ehrlich gemeint ist oder nur aus Anstand geklatscht wird“, erinnert sich der 36-jährige Musiker an den umjubelten Auftritt vor vier Jahren.
Ähnliche Begeisterung lösen Sinti Swing sonst eher bei älteren Ostdeutschen aus. Denn die Gruppe war Kult in der DDR, trat im Fernsehen auf und war als einzige ihrer Art eine große Attraktion. Gegründet 1985 von den Brüdern Alfred, Fredi und Wilfried Ansin sowie ihrem Schwager Hans Lauenberger lassen Sinti Swing die Tradition von Django Reinhardts Hot Club de France aus den dreißiger Jahren wieder aufleben. Dem charakteristischen Akustik-Sound mit den pumpenden Rhythmusgitarren und den lyrisch-komplexen Soli ist das Ensemble bis heute treu geblieben. Inzwischen hat Janko Lauenberger die Lead-Gitarre von seinem Vater übernommen, der an den Bass gewechselt ist.
Schon mit acht Jahren weiß Janko Lauenberger, dass er Musiker werden will. Er versucht sich erst an der Violine, dann wird schnell klar: Die Gitarre ist es – und die Musik von Django Reinhardt. Der belgische Sinto wird in der Ost-Berliner Sinti-Familie so verehrt, dass sie sogar den Sohn nach ihm benennen will. Als die Behörden das nicht erlauben, entscheiden sich die Eltern für das phonetisch ähnliche Janko. Heute ist der Musiker froh, dass es so gekommen ist. Ein Gitarrist, der Reinhardt-Musik spielt, und auch noch Django heißt, das wäre doch ein bisschen dicke.
Leicht berlinernd erzählt er von Gipsy Restaurant, seiner zweiten Gruppe. Sie hat ihre Heimat im nur ein paar Schritte entfernten Amphitheater im Monbijoupark und ist in diesem Jahr zum zweiten Mal Hausband und Mitorganisatorin der Montagskonzerte. Diese haben den Ruhetag des Hexenkessel-Hoftheaters zum eigenen Zuschauermagneten gemacht. Wenn nicht gerade ein Fußball-EM-Spiel stattfindet, sind die 400 Plätze des Holztheaters meist alle belegt. Der Mix aus Klezmer-, Balkan- und Swing-Konzerten passt in das seit einiger Zeit laufende Revival dieser Stile. Vor allem Swing erfreut sich großer Beliebtheit, was sich sowohl an den vielen Tanz-Angeboten mit Dreißiger-Jahre-Flair als auch an der wachsenden Zahl von ElectroSwing-Bands zeigt, die den klassischen Sound mit Computern und verstärkten Instrumenten weiterdenken.
Gipsy Restaurant bleiben nah am großen Vorbild Django Reinhardt, wobei ihre Besetzung – Schlagzeug, Bass, elektrische Gitarre plus Gäste an Violine und Klarinette – vom traditionellen Saiten- Quintettformat abweicht. Der Zufall führt die Gruppe vor vier Jahren zusammen. Weil Schlagzeuger Pan Marek für einen Auftritt einen Ersatzgitarristen sucht, recherchiert er ein bisschen und findet Janko Lauenberger. „Wir haben ohne Probe gleich ein Konzert zusammen gespielt. Sowohl musikalisch als auch persönlich haben wir uns sofort verstanden und wussten, dass wir weiter miteinander arbeiten möchten.“ Sie holen den Bassisten Eugen Miller dazu und nennen sich Gipsy Gentlemen. Daraus entwickelt sich – angeregt durch ihre regelmäßigen Auftritte in Clärchens Ballhaus – der Name Gipsy Restaurant. Wobei der einzige echte „Gipsy“ in der Band Janko Lauenberger ist. Pan Marek ist Weißrusse, Eugen Miller kommt aus Kasachstan.
Lauenbergers Familie lebt seit rund 400 Jahren in Berlin. Als die Nazis die Stadt 1936 für die Olympischen Spiele „zigeunerfrei“ machen wollten, wird ein Großteil seiner Verwandten zu einem Wagenplatz in Marzahn verschleppt. Von dort geht es weiter in Konzentrationslager. Lauenbergers Großvater Kurt Ansin überlebt Auschwitz, Buchenwald und Nordhausen/Dora, seine sieben Geschwister werden umgebracht. Janko hat seinen Opa nur als gebrochenen, kranken Mann gekannt.
Er selbst ist in den achtziger Jahren in seiner Lichtenberger Schule ein Außenseiter. „Zigeuner, Jude, Neger“ rufen ihm die Kinder hinterher. Auch die Lehrer kommen nicht mit dem temperamentvollen Jungen zurecht, was schließlich dazu führt, dass er mit elf Jahren gegen den Willen seiner Familie in ein Spezialkinderheim für Schwererziehbare im thüringischen Bad Langensalza geschickt wird. Mit der Hilfe des Schriftstellers Reimar Gilsenbach gelingt es den Eltern, Janko nach sieben Monaten zurück nach Berlin zu holen.
Solch offenen Rassismus, mit dem er als Jugendlicher immer wieder konfrontiert war, erlebt er heute nicht mehr. Auch im vermeintlich rechten Lichtenberg wohnt Lauenberger gern: „Das ist eine tolle Gegend, obwohl sie so einen schlechten Ruf hat. In den Neunzigern war hier zwar mal eine Hochburg der Rechtsradikalen, aber die sind mittlerweile alle verschwunden. Jetzt wohnen hier Menschen aus allen Kulturen. Da haben Braune keinen Platz.“ Und als der Gitarrist kürzlich nach langen Proben in seiner Wohnung besorgt bei der Nachbarin nachfragt, ob es vielleicht zu laut gewesen sei, seufzt die nur: Ach nein, das ist so schöne Musik.
Gipsy Restaurant spielen am Montag, 25. Juni um 20.30 Uhr im Amphitheater im Monbijoupark. Sinti Swing treten am 8. Juli um 15 Uhr bei „Swing im Park“ im Britzer Garten auf.
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