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Herbert Fritsch, Schauspieler und Regisseur an der Volksbühne in Berlin, hier in den Werkstätten der Volksbühne in Pankow.
© Kitty Kleist-Heinrich

Theatertreffen 2017: Diese zehn Produktionen sind im Mai in Berlin zu sehen

Von Johan Simons „Schimmelreiter“ über Herbert Fritschs "Pfusch" bis Ersan Mondtags „Vernichtung“: Die zehn Stücke des diesjährigen Theatertreffens.

Der fatale Trend, der gegenwärtig die Weltpolitik infiziert, spiegelt sich in der Auswahl des diesjährigen Theatertreffens zum Glück nicht wider: die Dominanz des polternden weißen Mannes über sechzig. Unter anderem sind also weder Frank Castorf noch Claus Peymann mit Inszenierungen vertreten, obwohl ja für beide an ihren Häusern die Intendantendämmerung angebrochen ist. Aber die siebenköpfige Kritiker-Jury, die für die Einladung der zehn bemerkenswertesten Inszenierungen des deutschsprachigen Raums verantwortlich ist, soll ja keine Abschiedsgeschenke verteilen. Sondern ohne Rücksicht auf Rang und Namen Entdeckungen machen. Und das scheint ihr unter 377 in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesichteten Inszenierungen geglückt zu sein.

Kein Wiener Burgtheater, kein Schauspielhaus Zürich oder Hamburg ist vertreten, um nur mal ein paar der notorischen Theatertreffen-Abonnenten der vergangenen Jahre zu nennen. Und aus der Kategorie „Altmeister“ haben es auch nur zwei Regisseure unter die „happy ten“ (so Festival-Leiterin Yvonne Büdenhölzer) geschafft: Johan Simons, dieser großartige, weitherzige Theaterpuritaner aus den Niederlanden, der mit seiner formstrengen Theodor-Storm-Adaption „Der Schimmelreiter“ vom Hamburger Thalia Theater in Berlin gastieren und die alte Weisheit beglaubigen wird: „Wenn ein Mann ein totes Pferd reitet, geht das selten gut aus“ (O-Ton Jury). Und Herbert Fritsch, der mit seinem Berliner „Pfusch“ einmal mehr als Vertreter einer „Avantgarde mit fröhlichem Antlitz“ (wiederum Jury) aufgefallen ist und sich entsprechend seine siebte Theatertreffen-Einladung verdient hat.

Regisseurin Claudia Bauer gastiert mit ihrer Bearbeitung von Peter Richters Roman „89/90“

Immerhin, auf diesem Wege kommt doch noch die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz zu Ehren, während die Auswahl ansonsten nicht gerade den Ruf Berlins als leuchtende Theatermetropole festigt. Lokalpatrioten der Kunst können sich damit trösten, dass immerhin zwei weitere der nominierten Produktionen unter Berliner Beteiligung entstanden sind. Zum einen „Five Easy Pieces“ von Milo Rau (koproduziert von den Sophiensälen) – eine provokative, aber nicht skandalheischende Dokumentarstudie über den Kindermörder Marc Dutroux, besetzt mit Kindern zwischen 8 und 14 Jahren. Sowie die grell-gallige Quizshowsatire „Real Magic“ der britischen Gruppe Forced Entertainment um Mastermind Tim Etchells, die das HAU mit angeschoben hat. Forced Entertainment sind überhaupt zum ersten Mal zum Theatertreffen eingeladen.

Gleiches gilt für drei Theatermacher, deren Werke auf jeweils eigene Art die politische Gegenwart zu reflektieren versprechen. Regisseurin Claudia Bauer gastiert mit ihrer Bearbeitung von Peter Richters Roman „89/90“ am Schauspiel Leipzig, einem „Wende-Oratorium“, das auch deshalb den Blick zurück riskiert, um die aktuellen Auswüchse nationalistischer Strömungen zu verstehen. Kay Voges, der Erfolgs-Intendant des boomenden Schauspiels Dortmund, ist mit seiner ausgreifenden Installation „Die Borderline Prozession“ eingeladen. Die erzählt in einem 10-Zimmer-Komplex (in Dortmund in einer ehemaligen Lagerhalle für BVB-Fanartikel errichtet) vom tosenden Gleichzeitigkeitsterror des Internetzeitalters, laut Jury „philosophisches Total-Theater“.

Ulrich Rasche stellt seine Version von Schillers "Räuber" vor

Und schließlich wird Ulrich Rasche seine bereits viel gelobte Version der Schiller’schen „Räuber“ vom Residenztheater München in Berlin vorstellen. Die setzt das kriminelle Personal des Originaldramas auf gigantische Laufbänder und bebildert so „das Aufkommen des Massenmenschen“ (Juror Christian Rakow) – und zwar in seiner demokratiefeindlichen, populistischen Ausrichtung: „Ein großes Mahnmal“.

Nicht minder politisch geht es in der Uraufführung „Die Vernichtung“ zu, die Ersan Mondtag nach einem Stück von Olga Bach am Konzert Theater Bern inszeniert hat. Mondtag erzählt wie üblich ästhetisch eigenwillig von Zerstörungswut und wachsendem Extremismus.

Mit Simon Stone, der am Theater Basel Tschechows „Drei Schwestern“ in die Gegenwart verpflanzt hat, sowie mit Thom Luz, der am Staatstheater Mainz mit „Traurige Zauberer“ eine seiner Nebelexkursionen unternimmt, komplettieren zwei weitere junge Wiederholungstäter des Theatertreffens den Jahrgang. Einen viel versprechenden, der unsere Zeit in ihrer brutalen Widersprüchlichkeit zeigt.

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