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Kultur: Die zwei Erben des großen Sun Ra

JAZZ

„Er war der geborene Leader“, sagt der Saxofonist Marshall Allen über den afroamerikanischen Pianisten und Komponisten Sun Ra, der gern von der Bühne aus mit Außerirdischen kommunizierte. Dafür trug er Antennen an seinem Hut. Sun Ra selbst war sich absolut darüber im klaren, ein Erleuchteter zu sein, eine Ausnahmeerscheinung im Jazz wie im Leben. Die Sun Ra Arkestra-Mitglieder spielten unter seiner strengen Leitung sehr frei. Sie rezitierten Poetry zu funky Beats – lange bevor dergleichen sich gut vermarkten ließ. Nur eines hat Sun Ra, der 1993 im Alter von 79 starb, nie geregelt: seine Nachfolge. Und sein Testament.

Doch irgend jemand musste die Sache ja in die Hand nehmen. Marshall Allen, der in diesem Jahr 80 wird, ist derzeitig Leader des Sun Ra Arkestra. An die Mechanismen des Erbens scheint Sun Ra nicht gedacht zu haben, und spirituelle Nachfolge begründet kein bürgerliches Recht. Warum hat Ra aber auch so wenig für seine Arche geregelt? Tantiemen haben die Musiker schon zu seinen Lebzeiten nicht erhalten, da Ra alle Aufnahmen ausschließlich unter seinem Namen vermarktete. Am schwerwiegendsten aber ist das Problem der Weitergabe der Musik. Da Sun Ras Musik kaum notiert ist, braucht es die Erfahrung der überlebenden Arkestra-Mitglieder, um sein Werk wiederaufzuführen. Allen weiß von etwa 500 Sun-Ra-Kompositionen, von denen teilweise noch nicht mal Kassettenaufnahmen existieren.

Die Signale, die Ra einst sendete, reichten bis nach Finnland. Der Sänger und Multiinstrumentalist Jimi Tenor sitzt knapp zehn Jahre nach Ras Tod in einem finnischen Club, um das Video „Black Hole“ aufzunehmen. Auf www.jimitenor.com kann man sich das Ergebnis anschauen – und nicht nur Tenors Space-Klamotten verraten, dass die Message angekommen ist. Tenor wird im „Electronica“-Segment vermarktet. Und dass nervt ihn. Genres seien eine Erfindung der Plattenläden und hätten nichts mit Musik zu tun. Wenn seine aktuelle CD „Higher Planes“ (Kitty-Yo) in der „Jazz“- oder „Alternative“-Ecke zu finden ist, dann deshalb, weil die elektronischen Klänge hier zugunsten von so genannten akustischen Instrumenten in den Hintergrund treten. Für die Live-Titel spielte Tenor mit dem finnischen New Music Orchester „UMO“ zusammen, ergänzt durch Synthesizer,E-Gitarre,Bongos.Am Mittwoch um 21 Uhr spielt Tenor mit Big Band und Sun Ra-Vibes im Maria am Ufer . Weiteres Highlight: Flora Purim und Airto Moreira stellen im Quasimodo die CD „Speak No Evil“ (Virgin) vor. Die brasilianische Sängerin singt Jazz-Standards von Wayne Shorter & Co, heute, 22 Uhr.

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