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© Schirmer/Mosel

Goldener Bär für Hanna Schygulla: Die Zeitreisende

Große Gesten liegen ihr nicht, sie strahlt etwas Traumwandlerisches, Entrücktes aus: Hanna Schygulla wird mit einem Goldenen Bären für ihr Lebenswerk geehrt.

Eigentlich klingt der Begriff „Diva“ ziemlich überkandidelt, aber für Hanna Schygulla passt er. Nicht nur, weil sie paradoxerweise der größte Star ist, den der Neue Deutsche Film hervorgebracht hat, der doch eigentlich ohne Stars hatte auskommen wollen. Sondern auch, weil man sich automatisch an andere Diven des deutschen Kinos erinnert, an Marlene Dietrich, Lilian Harvey oder Zarah Leander, wenn man an ihre großen Rollen denkt. In den letzten Filmen, die sie mit Rainer Werner Fassbinder gedreht hat, wirkt sie wie eine Zeitreisende, die in der Vergangenheit mindestens genauso zu Hause ist wie in der Gegenwart. In „Die Ehe der Maria Braun“ versucht sie, ihre Würde durch die Anarchie der Nachkriegsjahre zu retten. In „Lili Marleen“ verwandelt sie sich mit paillettenbesetzter Haube und silbernem Lidschatten in eine überlebensgroße Ufa-Ikone. Und in „Berlin Alexanderplatz“ geht sie als Ganovenliebchen mit Franz Biberkopf durch Dick und Dünn.

Hanna Schygulla, die am heutigen Donnerstag mit einem Goldenen Bären für ihr Lebenswerk geehrt wird, hat 20 Filme mit Fassbinder gedreht. Dass sie fast drei Jahrzehnte nach seinem Tod noch immer vor allem als Fassbinder-Schauspielerin wahrgenommen wird, scheint sie nicht zu stören. „Zuerst hat es mich durch ihn gegeben in den Filmen. Und heute trage ich auch immer ein Stück seines Vermächtnisses weiter“, hat sie gerade in einem Interview gesagt. Schygulla und Fassbinder hatten sich in einer Münchner Schauspielschule kennengelernt, 1967 holte er sie in sein Action-Theater, die Keimzelle der Fassbinder-Filmfamilie. Schygulla hatte eigentlich Lehrerin werden wollen, den Schauspielunterricht begann sie, weil das Germanistikstudium sie langweilte.

Große Gesten liegen ihr nicht, Schygulla strahlt etwas Traumwandlerisches, Entrücktes aus. „Dieses Gesicht macht nichts, es ist einfach da“, schreibt Elfriede Jelinek im Prachtband „Du ... Augen wie Sterne“, der zur Berlinale in erweiterter Neuausgabe erschienen ist (Das Hanna Schygulla Album, Schirmer/Mosel Verlag, 216 S., 14,95 €). „Ich glaube, deshalb hat Fassbinder diese Schauspielerin so geliebt: Er konnte alles mit ihr machen, alles auf sie werfen, und selbst die Macht, die sie über Männer hat, ist eine träge, gleichgültige.“ Schygulla ist jetzt 66, aber in Fatih Akins Drama „Auf der anderen Seite“, ihrem Comebackfilm, wirkt sie noch immer mädchenhaft. Bereit zum Staunen. „Du ... Augen wie Sterne“, das ist eine Zeile, die Fassbinder 1969 in „Katzelmacher“ zu ihr sagt. Christian Schröder

Heute 20 Uhr (International) Ehrenbären-Verleihung, anschließend: „Lili Marleen“. 19.2., 17.30 Uhr, Kurzfilme von Schygulla sowie „Alicia Bustamante“ und am 21.2., 18 Uhr „Lili Marleen“ (Cinemaxx 8)

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