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Touristen? Nicht wirklich. Isabelle Huppert und Gérard Depardieu spielen ein seit 25 Jahren getrenntes Paar namens Isabelle und Gérard, dessen Sohn sich das Leben genommen hat. Sein letzter Wunsch: Sie sollen gemeinsam fünf Orte im Death Valley aufsuchen.
© Concorde

„Valley of Love“ mit Isabelle Huppert und Gérard Depardieu: Die Wüste und wir

Trauerarbeit eines Schauspielerpaars: In Guillaume Nicloux’ Film „Valley of Love“ spielen Isabelle Huppert und Gérard Depardieu ein ehemaliges Liebespaar, das sich nach dem Selbstmord ihres Sohnes in Kalifornien trifft.

Im Tal des Todes steht die Welt still. Es ist eine betörend schöne, wie festgefroren wirkende Landschaft aus Sand und Felsen, in der sich nichts bewegt. Nur die Sonne geht jeden Morgen auf, um im Zenit dann so gnadenlos auf die Erde herabzubrennen, dass derjenige, der sich nicht rechtzeitig schützt, tatsächlich sterben muss. Früher griffen hier die Indianer an, Sioux, Comanchen oder Hopi, als Hollywood in der Mojave-Wüste Western drehte. Heute ist das Death Valley ein Nationalpark mit bequem ausgeschilderten Sehenswürdigkeiten.

Aber ist das Tal des Todes, einer der heißesten Orte des Planeten, nicht in Wirklichkeit eine Landschaft der Liebe? Denn auch in der Liebe geht es um Stillstand, Liebende halten die Zeit an. Die Helden von Guillaume Nicloux’ Film „Valley of Love“ waren einmal ein Paar, 25 Jahre ist das her, und seither haben sich einige private Katastrophen ereignet. Sie heißen Isabelle und Gérard, sind berühmte Schauspieler und werden zudem von Isabelle Huppert und Gérard Depardieu verkörpert.

Huppert und Depardieu hätten vielleicht wirklich einmal ein Paar sein können, so überzeugend, wie sie schon vor 35 Jahren in „Der Loulou“ die herumstreunenden Liebenden gespielt haben. Aber sie waren nie ein Paar, vor allem hatten sie nie ein gemeinsames Kind wie Isabelle und Gérard, die in die kalifornische Sandeinsamkeit kommen, um den letzten Willen ihres Sohnes zu erfüllen. Der Sohn hat sich umgebracht und seine Eltern in einem Brief gebeten, gemeinsam eine Woche im Death Valley zu verbringen. Wenn sie dort fünf Orte aufsuchten, würde er ihnen begegnen. Eine posthume Schnitzeljagd. Isabelle und Gérard suchen nach Erlösung. Was sie unter dem ewig blauen, wie gemalt erscheinenden Himmel finden, ist eher Entrückung.

Schon als die Kamera am Anfang Isabelle Huppert folgt, wie sie ihren Rollkoffer über einen Motel-Parkplatz zieht, vorbei an einem Pool und durch endlose Flure, zeigt sich, wovon dieser schwerelos philosophische Film erzählen will: von der Trostlosigkeit des Lebens, die dennoch nicht ohne Hoffnung ist. Am nächsten Morgen kommt ihr auf dem Rasen der Motelanlage ein mächtig obelixartiges Wesen entgegen, das sich in der Nahansicht als Gérard Depardieu entpuppt. Es folgt eine Begrüßung mit Wangenkuss à la française und ein großartiger Dialog. „Du siehst gut aus“, sagt Isabelle Huppert. Depardieu zeigt auf seinen Bauch und entgegnet: „So nicht.“ „Aber“, beschwichtigt Huppert, „wenn du dich damit wohlfühlst?!“ Depardieu fragt bloß: „Wohlfühlen? Damit?“

Einen Teil seines Witzes verdankt „The Valley of Love“ der Tatsache, dass sich alle Ereignisse und Äußerungen auch auf die Hauptdarsteller beziehen lassen. Zu den Gags gehört, dass Depardieu immer wieder als Filmstar erkannt und um Autogramme gebeten wird. Nur seinen Namen weiß niemand. Er gibt sich als Robert De Niro aus, später behauptet er, dass er in allen Folgen des „Paten“ mitgespielt habe und Al Pacino sein bester Freund sei. Könnte durchaus sein. Ist Depardieu nicht wirklich im „Paten“ dabeigewesen?

Der andere Teil des Humors von „The Valley of Love“ beruht auf der grotesken Gegensätzlichkeit seiner Protagonisten. Huppert ist verglichen mit Depardieus Kugelform ein Strich. Sie ist stets um Kontrolle bemüht und reagiert oft impulsiv. Ihr Credo lautet: „Der Mensch kann sich von Grund auf ändern.“ Depardieu hingegen glaubt: „Der Mensch wird geboren und stirbt unverändert.“ Er flucht ständig, wirkt aber überaus gelassen, tief in sich ruhend.

Die Zeit, in der es auf Äußerlichkeiten ankam, liegt hinter ihm. Seinen Bauch trägt er wie eine Auszeichnung vor sich her. Isabelle und Gérard sind Wesen von verschiedenen Planeten. Natürlich finden sie einander anziehend. Immer noch. Schon wieder. Im zweiten Teil driftet die Komödie dann immer stärker ins Spirituelle. Es gibt Geister, und wir müssen uns vor ihnen nicht fürchten.

Capitol, Cinema Paris (auch OmU), Cinemaxx, FT Friedrichshain, Passage, International und Kulturbrauerei

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