Kultur: Die Wörtermacher
Spröde Etüde: Jacques Doillons „Le premier venu“
In Arthur Penns „Night Moves“ sprichtGene Hackman den bösen Satz „Ich habe mal einen Rohmer-Film gesehen. Es war, als würde man Farbe beim Trocknen zusehen.“ Dieses Zitat im Zusammenhang mit „Le premier venu“ von Jacques Doillon anzuführen, einem Regisseur, der gerne mit Eric Rohmer verglichen wird, ist vielleicht nicht ganz fair. Einerseits fördert man damit das Vorurteil, Rohmer-Filme seien langweilig. Zum anderen wird man Doillons Film nicht gerecht: Wer Farbe beim Trocknen zusieht, erlebt einen vergleichsweise aufwühlenden Wandlungsprozess.
„Le premier venu“ (auf Deutsch etwa: Wer zuerst kommt) handelt von drei, vier oder gar fünf Personen, die sich in einem nordfranzösischen Küstenstädtchen über den Weg laufen. Es gibt wenig Sonnenschein. Die Farben sind bleich. Die Handlung, die sich über ein paar Tage erstreckt, ist elliptisch gehalten. Meist sieht man die Figuren in Zweierkonstellationen und in Nahaufnahmen kadriert. Im Hotelzimmer, am Strand, auf der Straße, in der Wohnung. Dabei reden sie. Und reden. Und reden. Zwischendurch ertönt Debussy.
Was mag diese Figuren antreiben? Im Mittelpunkt steht Camille (Clémentine Beaugrand), eine hübsche junge Frau mit „Amélie“-Schmollmündchen, die ständig in denselben Schlabberklamotten herumläuft. Sie ist hinter Costa (Gérald Thomassin) her, einem drahtigen Ex-Junkie, der sie in Paris möglicherweise vergewaltigt hat. Außerdem gibt es den Polizisten Cyril (Guillaume Saurrel), der Camille toll findet und Costa nicht mag. Zwischen Camille, Costa und Cyril passiert dann ab und an mal was. Aber nicht viel.
Der 66-jährige Jacques Doillon ist bekannt für seine extrem genaue Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Wer Filme wie „Le jeune Werther“ oder „Ponette“ kennt, schätzt ihn dafür. In „Le premier venu“ aber verwendet er seine gesamte kreative Energie offenbar allein darauf, eine Geschichte absolut kunstlos zu erzählen. Das hat nichts mit Purismus à la Bresson zu tun, sondern gleicht einem verweigernden Anti-Kino: emotionslos, frei von Erotik, breiig mäandernd – mithin das glatte Gegenteil von Rohmer. Selbst das könnte noch einen gewissen Reiz haben. Doch Doillon inszeniert seine Figurenkonstellationen so theatralisch, gestaltet die Handlung so unplausibel, dass er damit die Grenze des Lächerlichen streift. Was wohl Gene Hackman dazu sagen würde?
fsk am Oranienplatz (OmU)
Julian Hanich
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