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Schön einsam. Catherine Deneuve in François Ozons Komödie „8 Frauen“ (2002).
© picture alliance / dpa

Catherine Deneuve wird 70: Die Unnahbare

Catherine Deneuve mag sich noch so irdische Rollen wählen, ihre Schönheit lässt sie doch immer als Ikone des französischen Kinos erstrahlen. Ein Geburtstagsgruß zum Siebzigsten.

In der schönsten Szene von François Ozons „Das Schmuckstück“ (2010) treffen zwei Super-Ikonen des französischen Kinos aufeinander. Catherine Deneuve spielt eine Fabrikantengattin, die erst behutsam, dann forsch die Rolle des Heimchens am Herd abstreift. Und Gérard Depardieu gibt den linken Bürgermeister, der ihretwegen den Gewerkschafter in sich zum Schweigen bringt – schließlich verbindet die beiden eine uralte Affäre. Nun tanzen sie ein inniges Tänzchen in der Provinzdisco „Badaboum“, und das ist ganz wunderbar anzusehen.

Zwei Stars, die zudem manches Mal Filmpartner waren, geben sich hier hemmungslos entspannt. Und, wichtiger noch: Deneuve spielt hier einmal mit Erfolg gegen jene Ikonenhaftigkeit an, die ihr sonst so im Weg steht – mitgerissen durch ein Schwergewicht von Oberflegel, dem Ruhm und Ehre auch im realen Leben völlig wurst zu sein scheinen.

Ja, Catherine Deneuve, nach deren ebenmäßigen Zügen 1985 sogar die Skulptur der französischen Nationalfigur Marianne neu geschaffen wurde, wirkt meist wie eine Gefangene ihres Ruhms. 50 Jahre Filmkarriere, 100 Filmtitel, davon die meisten automatisch Hits in der Heimat, dazu unzählige Preise: Wie kommt man da vom Nobel-Sockel herunter, auf den das Publikum einen stellt?

Tatsächlich versucht die Deneuve es immer wieder. Mal gelingt es ihr fast – etwa als Lars von Trier sie, als Kopftuch-Fabrikarbeiterin, eisern in sein „Dancer in the Dark“-Ballett einband. Manchmal geht der Impuls deutlich daneben: In Emmanuelle Bercots „Elle s’en va“, zuletzt im Berlinale-Wettbewerb und ab Februar 2014 unter dem Titel „Madame empfiehlt sich“ im Kino, geht sie als Restaurantbesitzerin unters gemeine Volk. Einmal sitzt sie eine Weile mit einem Bauern in dessen Stube. Klar, dass er sie keineswegs als die Deneuve erkennen darf. Aber unfreiwillig komisch ist die Szene doch.

Andererseits kann man der mitunter statuarisch agierenden Catherine Deneuve nicht vorwerfen, immer nur entsprechende Rollen angestrebt zu haben. Im Gegenteil, und das von Anfang an. Die verhuschte Angestellte eines Schönheitssalons, die in Roman Polanskis „Ekel“ (1965) aus Panik vor Männern durchdreht bis zum Mord: nicht eben lustig, diese schauspielerische Herausforderung. Oder die Arztgattin, die in Luis Buñuels „Belle de Jour“ (1967) ihre erotischen Sado-Maso-Träume heimlich im Bordell auslebt: Auch hier hätten sich feinere Schauspieljobs denken lassen.

Den Weltruhm der in Paris in einen Künstlerhaushalt hineingeborenen Catherine Fabienne Dorléac haben diese skandalträchtigen Auftritte jedoch eher befördert. Wie sich das Bild dieses Stars schon früh von den wechselnden, teils auch vergessenen Rollen ablöste. Längst steht es unverrückbar über ihnen. Und ihnen letztlich im Wege.

Unnahbarkeit ist die Vokabel, die sich mit Catherine Deneuve am ehesten verbindet, und das Eintauchen in Ensembles – zuletzt in „8 Frauen“ (2002) – macht die Singularität dieser Schauspielerin nur umso offenkundiger. Manchmal, bei ihren imponierend unliebenswürdigen öffentlichen Auftritten, möchte man meinen, sie habe sich auf ihre Weise damit abgefunden. Auch die Außenseite ihres privaten Lebens scheint längst so geglättet wie ihre Erscheinung: Ein Sohn mit Roger Vadim, da war sie kaum zwanzig, sie zog das Kind alleine groß; knapp zehn Jahre später die Tochter Chiara mit Teilzeit-Lover Marcello Mastroianni, mit dem sie in vier Filmen vor der Kamera stand. Auch diese Merkmale verweisen auf jene starke, selbstständige Frau, als die sich Deneuve bis heute inszeniert.

Eine dunkle Quelle aber gibt es, die den Fluss dieses Lebens färbt: die Beziehung zu ihrer ein Jahr älteren Schwester Françoise Dorléac. Die Jungschauspielerin Françoise war es, die die erst nur mäßig interessierte Schwester ins Filmgeschäft zog, mit Françoise spielte sie in Jacques Demys „Les demoiselles de Rochefort“ 1967 die Schwestern Garnier – und im selben Jahr starb Françoise an den Folgen eines Autounfalls. Nach diesem Schock stürzte Catherine Deneuve sich ins Arbeiten, aus dem ihr der Ruhm erwuchs, unabweisbar und bis heute.

Jan Schulz-Ojala

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