Madonna: Die Traumfabrikantin
Top oder Flop? Madonna inszeniert sich seit 25 Jahren selbst. Heute zeigt sie ihr Regiedebüt "Filth and Wisdom“ im Panorama.
Nun ja, inzwischen hat man es oft genug gehört: die 58. Berlinale ist eine Berlinale der Rock- und Popstars. Und tatsächlich haben die Rolling Stones, Neil Young und Patti Smith dem Filmfest einen Glanz ganz neuer Art verliehen. Doch jetzt betritt eine andere Liga von Pop den roten Teppich. Was das Filmschaffen anbelangt, war Madonnas Karriere bislang vorwiegend mit „Goldenen Himbeeren“ gepflastert, jener ungeliebten Auszeichnung als „Schlechtester Schauspielerin“. Nach der netten Nebenrolle in „Desperately Seeking Susan“ (1985) war nicht mehr viel los mit Madonnas Schauspielkunst. Mit Grausen erinnert man sich an „Body Of Evidence“, „Swept Away“ und „Evita“. Und jetzt, zur Berlinale also, das Regiedebüt mit „Filth and Wisdom“. Erfindet sich Madonna schon wieder neu?
Als Madonna Louise Veronica Ciccone sich zu Beginn ihrer Laufbahn in Madonna umbenannte, wer glaubte sie, wer sie war? Wer sie werden könnte? Die Jungfrau Maria? Oder Elvis? Jeder aufrechte Rock’n’Roller hasste sie aus tiefstem Herzen, als sie in den achtziger Jahren auf dem Bildschirm des MTV-Pop auftauchte. Mit Rock’n’Roll hatte ihr ausgeklügelter Auftritt ohnehin nichts zu tun. Weniger noch als die schwedische Popgruppe Abba vor ihr. Die war immerhin im Folk verwurzelt.
Es lohnte sich gar nicht, sich über Madonna zu mokieren, sie würde sich sowieso nicht lange halten, dachten die Verächter, eine Eintagsfliege, die bald wieder weg wäre vom Fenster des großen Showgeschäftes, als mittelmäßige Sängerin, Stimme des Grauens mit rhythmischem Quäken zu klinisch steril programmiertem Disco-Puckern. Eine kurzlebige, clever in Szene gesetzte Modeerscheinung, die sich bald erledigt haben würde? Denkste.
Madonna blieb die nächsten 25 Jahre, ganz oben, und da ist sie immer noch, auch für das nächste Jahrzehnt kaum mehr wegzudenken aus der Glitzerwelt von Pop und Pep. Von der unbekannten Tänzerin, die 1979 als 20-Jährige aus ihrer Heimatstadt in Michigan nach New York gezogen war, wo sie sich von diversen Gelegenheitsjobs als Kellnerin, Verkäuferin, Fotomodell und Teilzeit-Sexfilm-Actrice zur größten Disco- Diva aller Zeiten hocharbeitete, zur königlichen Hohlheit einer sich global entwickelnden Partyszene.
Ihre Karriere hat sie mit unglaublicher Zähigkeit verfolgt, mit Ehrgeiz, Mut, Selbstvertrauen und eiserner Disziplin. Und, vielleicht ihr größter Trumpf auf dem Weg nach oben: Madonna wurde zur mächtigen Mediendirigentin, einer Manipulateuse mit Getöse, Meisterin des Hackbeat, die sich in Videos extravaganter Bilderwelten bediente. Nicht nur verstand sie es, den Massengeschmack zu bedienen und ihren Körper als wirtschaftliche Manövriermasse wirkungsvoll in Szene zu setzen, mit Zahnlücke und Schönheitsfleck, sie verkörperte das „Material Girl“, das keine Sehnsucht mehr kennt, nur noch Zielstrebigkeit. Ihre ellenlangen Beine, knappen Höschen und mächtige n Diskokugeln, die üppig aus eng geschnürten Korsagen blitzten, BHs wie spitze Metalltrichter, waren keine Versprechen mehr, sondern Zeichen. So entsprach Madonna ganz dem Zeitgeist der Achtziger, wurde zum role model junger Frauen, die versuchten, ihren Look nachzuahmen. Alle wollten sein wie Madonna. Kaufhausverkäuferinnen und Sachbearbeiterinnen, die am Wochenende in der Disco am Sektglas nippen und sich in der Rolle von Madonnas Vamp gefallen, einer Frau, bei der ein Typ ohne Geld und Status keine Chance hat. Sentimentalitäten sind nur eine Falle, sagt Madonna.
Madonna hat die vielen Chancen, die ihr das Leben geboten hat, ergriffen und mit enormem Fleiß und einem untrüglichen Gespür für Trends in Musik und Maskeraden umgesetzt. Nach dem frühen selbst komponierten Tanz-Stampfer „Everybody“ von 1982 schaffte die Sängerin ein Jahr später mit der blubbernden amerikanischen Sommerhymne „Holiday“ den Durchbruch in die Disco-Oberliga. „Like A Virgin“ wurde 1984 ihr erster Nummer-Eins-Hit, schon die ersten beiden Alben verkauften sich millionenfach und bis 1989 konnte Madonna elf ihrer Titel hintereinander unter den ersten fünf Positionen der amerikanischen Charts platzieren. Das hatten vor ihr nur Elvis und die Beatles geschafft.
Darüber hinaus versuchte sie sich als Schauspielerin und als Autorin von Kinderbüchern. Und wenn mal eines ihrer Projekte nicht mehr so erfolgreich war, sattelte Madonna um. Sie hat einfach weitergemacht, immer weiter. Neue Musik, neue Filme, neue Bücher. Hat eigene Produktionsfirmen gegründet, hat ihr Image gewechselt, sich immer wieder angepasst an Modetrends. Bisschen Electronica, bisschen Techno, bisschen Cowboyhut, bisschen Erotik, bisschen erwachsenere Kultiviertheit.
Wobei sich ihre aufwendigen Videos als größte Erfolgsvehikel erwiesen. Beladen mit dem ganz großen Symbol- und Provokationskitsch: Kerzen, Kirchen, Kreuze, und Madonna, die irgendwo dazwischen herumkriecht und sich dekorativ räkelt. Skandale waren vorprogrammiert. Obwohl nie ersichtlich wurde, warum ausgerechnet Madonna als Vorreiterin der Meinungsfreiheit gelten sollte, nur weil sie sich den Zorn der katholischen Kirche mit anzüglichem Jesus-Sex zuzog. Inzwischen interessiert sich die Regenbogenpresse mehr für Fragen jenseits der künstlerischen Arbeit: Wie ist es bestellt um die Ehe mit ihrem zweiten Ehemann, dem britischen Regisseur Guy Ritchie? Darf Madonna ein Kind aus Malawi adoptieren? Ist das „Kabbalah Centre“, dessen Mitglied Madonna ist, eine gefährliche Sekte? Ist Madonna noch ganz dicht, wenn sie sich mit einem roten Faden gegen den bösen Blick zu schützen versucht?
Eines jedenfalls scheint ziemlich gewiss: den roten Faden ihres Lebens, ihrer Geschäfte, ihres Erfolges wird Madonna so schnell nicht verlieren. Möge er sie auch auf der heutigen Weltpremiere von „Filth And Wisdom“ vor bösen Blicken bewahren.
Heute 21.30 Uhr (Zoo-Palast 1), 14. 2., 10.30 Uhr (Cinemaxx 7), 15. 2., 14 Uhr (International), 16. 2., 21.30 Uhr (Zoo-Palast 1), 17. 2., 14.30 Uhr (Cubix 9).
Madonna, 1958 in Bay City, Michigan, geboren, dominiert seit 1984 die Popkultur. Ihre Alben „Like A Virgin“, „Like A Prayer“, „Music“ und zuletzt „Confessions on a Dance Floor“ haben ihr den Ruf einer Pop-Ikone eingebracht. Bislang hat die 49-Jährige etwa 335 Millionen Platten verkauft. Ihr Nettovermögen soll sich auf 600 Millionen Dollar belaufen. Sie ist in zweiter Ehe mit dem britischen Filmregisseur Guy Ritchie verheiratet und lebt auf ihrem Landsitz bei London. Zuletzt geriet sie in die Schlagzeilen, als sie einen Halbwaisen aus Malawi adoptierte.
Für ihre Rolle als Perón-Gattin in „Evita“ wurde sie 1997 mit einem Golden Globe ausgezeichnet. Zudem trat sie in Filmen wie „Susan ... verzweifelt gesucht“ (1985), „Who’s That Girl?“ (1987), „Dick Tracy“ (1990) und dem 007-Film „Stirb an einem anderen Tag“ auf, für den sie auch den Titelsong beisteuerte.