zum Hauptinhalt

Kunst: Die Traumfabrikanten

Mit einer bunten Pixar-Ausstellung will die Bonner Bundeskunsthalle ihr Image aufpolieren.

So mancher Erwachsene dürfte sich beim Rundgang durch die Bilderwelten von Pixar fühlen wie ein Kind: von Träumen überwältigt. Rund um die Bonner Bundeskunsthalle gab es in diesen Tagen gleichzeitig aber kulturpolitische Querelen, die jeden Träumer unsanft in die Realität bugsierten. Dabei wurden zwischen Naivität und Perfidie viele Register gezogen. Dieses Abenteuer zumindest ist nun beendet: Vergangene Woche hat der in die Kritik geratene Intendant Robert Fleck angekündigt, seinen Vertrag vorzeitig zum 1. Oktober aufzulösen. Ob das nun das Ende eines „Kriegs“ bedeutet, wie einer der Hauptakteure, der Anselm-Kiefer-Sammler Hans Grothe, die Vorgänge rund um das Haus genannt hat?

In der aktuellen Pixar-Ausstellung ist von der Missstimmung erst einmal nichts zu spüren – zumal es die Kinder sind, die mit ihren Eltern im Schlepptau die Räume bevölkern. Pixar, eine der erfolgreichsten Illusionsmanufakturen des digitalen Zeitalters in Kalifornien, hat mit ihren Filmproduktionen seit 1996 mehrere Milliarden Menschen auf der ganzen Welt erreicht. Anlässlich des 25-jährigen Geburtstags schickt die Firma eine Ausstellung in eigener Sache um die Welt. Kuratorin Elyse Klaidman, gleichzeitig Direktorin der Pixar Universität, arbeitete früher im New Yorker MoMA und hatte sich bei einer früheren Pixar-Tournee mit New Yorker Station abwerben lassen. Auch das hatten Flecks Kritiker moniert: Dass ein staatlich gefördertes Ausstellungshaus einem Unternehmen zur Selbstdarstellung überlassen wird.

Den jungen Besuchern ist das egal: Klaidman zeigt in Bonn, wie die drei Folgen der „Toy Story“, „Cars 1“ und „Cars 2“, „Ratatouille“, „Monster AG“ und viele andere der inzwischen 34 Pixar-Filme entstanden sind. Die Ausstellung ermöglicht einen Blick in die Werkstatt jenes Unternehmens, das acht Oscars für Softwareentwicklung und zehn Goldtrophäen in verschiedenen Filmkategorien gewonnen hat, darunter den ersten Oscar für einen computeranimierten Spielfilm. Die Film Academy sah sich zur Einrichtung dieser Kategorie veranlasst, als Regisseur John Lasseter 1996 mit Toy Story den ersten vollständig computergenerierten Spielfilm auf den Markt brachte. Der Disney-Konzern, der ihn 1984 wegen allzu wagemutiger Ideen gefeuert hatte, stellte den Vertrieb und Merchandising bereit und sorgte mit für den Welterfolg. Heute gehört Pixar zu Disney, und John Lasseter ist Kreativchef beider Firmen.

Pixar hieß der erste Computer, der in der Firma von George Lucas (der mit der „Star Wars“-Serie vermutlich fast 30 Milliarden Dollar einnahm) für elektronische Bilddarstellung entwickelt wurde. Gemeinsam mit dem Computerspezialisten Ed Catmull wählte der Animationszeichner Lasseter ihn 1986 zum Firmennamen, als die beiden den Lucas-Konzern verließen und unweit von San Francisco mit 30 Getreuen ihre Firma gründeten. Ein wichtiger Verbündeter verhalf ihnen nach einer langen finanziellen Durststrecke zum Welterfolg: Steve Jobs, der Mitbegründer von Apple. Die Ausstellung bringt die Firmenphilosophie auf den Punkt. Hier die kindliche Fabulierlust eines Walt Disney, dort die technische Innovationskraft des Silicon Valley. Lasseters Credo: Geschichte, Figuren, Welten.

Unter diesem Motto entfaltet sich die Pixar-Welt in der Bonner Schau. Hunderte von Zeichnungen, Gouachen, Aquarellen, dazu Acrylgemälde und gegossene Skulpturen belegen den mühsamen Weg von den aufs Papier gebrachten Ideen eines 600 Mitarbeiter umfassenden Teams hin zur Digitalisierung, zum Aufbau der vermeintlich dreidimensionalen Figuren in ihren künstlichen Welten bis zu fertigen Filmsequenzen. Zum ersten Mal werden die Namen einiger künstlerischer Mitarbeiter mit den entsprechenden Artefakten verknüpft. Eine Individualisierung, die den Kunstcharakter der Arbeit unterstreichen soll, die aber im Arbeitsalltag wenig bedeutet. Hier zählt, nach intensiven Diskussionen, die Mehrheitsfähigkeit einer Idee, oder wie Lasseter sagt: „Wir schaffen die totale Unterhaltung in dem Sinn, dass die Zuschauer in die Handlung hineingezogen werden. Dafür aber muss jedes Detail stimmen.“

Als vielleicht bemerkenswerteste Manufaktur der amerikanischen Filmwelt trägt Pixar sein kritisches Potenzial in sich: Die Ausstellung erzeugt Bewunderung für die technischen Vollkommenheiten, gleichzeitig raubt sie dem Besucher mit der Komplexität der oft anonymen Arbeitsschritte aber auch viele Illusionen über die künstlichen Welten.

Zurück in die Realwelt und zur Kulturpolitik: Robert Fleck hatte 2009 keinen guten Start. Es gab Auseinandersetzungen, sein Vorgänger Wenzel Jacob war unüberlegt fristlos gekündigt worden, Interimsintendant Christoph Vitali hatte ihm noch dazu eine zweifelhafte Modigliani-Schau hinterlassen. Zuletzt stand Fleck wegen der Pixar-Ausstellung am Pranger – die Bundestagsabgeordnete Luc Jochimsen (Die Linke) sprach von einer Firmenschau auf Bundeskosten, was die Sache aber arg verkürzt – und wegen der pathetisch geratenen Anselm-KieferAusstellung. Sie wurde als Dienstleistung zur finanziellen Aufwertung der Sammlung Grothe kritisiert, ist der Kurator Walter Smerling doch gleichzeitig Verwalter dieser Sammlung. Nun hat Fleck die Reißleine gezogen.

Die Querelen haben eine Vorgeschichte. Sie begann mit der – vom Kuratorium nahegelegten – Absage der Rosemarie-Trockel-Ausstellung im Februar 2011 wegen stark eingebrochener Besucherzahlen. Damals war Fleck das Heft des Handelns entglitten, auch wenn die Besucherzahlen 2011 dann doch über die 700 000-Marke stiegen. Die von ihm seit 2009 geplante Kiefer-Schau zur Documenta 13, die in Zusammenarbeit mit dem Martin-Gropius-Bau entstehen sollte, wurde wiederum nach der Absage aus Berlin zum Problem: Kiefer war verärgert, internationale Leihgaben für eine alleinige Schau in Bonn zu teuer, angeblich in Deutschland solche gar nicht zu finden, wer immer da im Hintergrund seine Verbindungen spielen ließ.

Schließlich ignorierte Fleck die Wünsche des künstlerischen Beirats, der Walter Smerling als einzigen Kurator nicht akzeptieren wollte. Jedoch hielt ihn keiner wirklich zurück. Mit seiner Entscheidung für die Kiefer-Wanderausstellung unterschätzte Robert Fleck deren Sprengkraft für Bonn: Jeder kennt dort die unglückliche Geschichte des Sammlungsverkaufs von Grothe aus dem Bonner Kunstmuseum heraus. Und so mancher erinnert sich an die defizitäre „Zeitwenden“-Schau von Smerling im Bonner Kunstmuseum im Jahr 2000, deren Schulden damals nur durch einen Kunstverkauf gedeckt werden konnten.

Nun ist in Bonn die Nervosität über die Zukunft des Hauses groß, zumal mancher Berliner dessen Existenzberechtigung grundsätzlich infrage stellt. Tatsächlich wird die Bundeskunsthalle jedoch nicht nur von Besuchern aus Nordrhein-Westfalen frequentiert, sondern auch aus Belgien, Holland und Frankreich. Ein enormes Potenzial: Das Haus hatte auch schon eine Million Besucher im Jahr. Keine schlechte Zielvorgabe für die Zukunft des Hauses. Auch Kulturpolitik muss träumen dürfen.

Pixar – 25 Years of Animation. bis 6. Januar 2013, Bundeskunsthalle, Museumsmeile Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4 Do–So 10–19 Uhr, Di, Mi 10–21 Uhr

Regina Wyrwoll

Zur Startseite