Laetitia Colombanis „Der Zopf“: Die Spur der Haare
Feminismus light: Die französische Autorin Laetitia Colombani erzählt in „Der Zopf“ von drei Frauenschicksalen auf drei Kontinenten.
Es gehört zu den Gepflogenheiten deutscher Verlage, Bestseller aus anderen europäischen Ländern, aus Spanien, Italien, Frankreich oder Skandinavien, für mal mehr, mal weniger Geld einzukaufen, in der Hoffnung, dass diese auch hierzulande zu Verkaufserfolgen werden. Meist geht das schief, die Lesegewohnheiten in Europa sind zum Glück noch nicht so formatiert.
Im Fall von Laetitia Colombanis Debütroman „Der Zopf“ scheint die Rechnung aufgegangen zu sein. „Platz eins der französischen Bestsellerliste“ tönt es auf den Vorabexemplaren, „bereits über 300 000 verkaufte Exemplare“, „in 28 Länder verkauft“. Tatsächlich steht der Roman nun in Deutschland seit vier Monaten in den vorderen Rängen der „Spiegel“-Bestsellerliste und scheint zu einem Longseller zu werden. Was vermutlich auch daran liegt, dass „Der Zopf“ keine ausschließlich französische Problematik behandelt, nicht „typisch französische Literatur“ ist (so weit man von so einer überhaupt sprechen kann), sondern etwas Universelles hat, allein was die drei Schauplätze betrifft, an denen er angesiedelt ist.
Dramaturgische balanciert Colombani hat am Kitsch entlang
Colombani erzählt von drei Frauen auf drei verschiedenen Kontinenten: von Smitta, einer sogenannten Unberührbaren, die in Indiens Bundesstaat Uttar Pradesh lebt, und zwar als Fäkalienbeseitigerin „am Rande der Menschlichkeit“. Dann von Guila, die in der seit über einem Jahrhundert familiär betriebenen Perückenfabrik ihres Vaters arbeitet; und von Sarah, einer erfolgreichen Anwältin aus dem kanadischen Montreal, die zweimal geschieden ist, drei Kinder hat und ihr Leben perfekt zu managen weiß. Die eine, Smitta, möchte, dass ihre Tochter einmal lesen und schreiben lernt und verlässt zusammen mit dieser ihren Mann; die andere muss nach dem Tod des Vaters auf einmal über die Geschicke der Fabrik bestimmen, und die dritte, Sarah, bekommt Krebs. Wie sie alle drei ihr Schicksal gegen manchen, gerade auch männlichen Widerstand zu meistern versuchen, wie sie sich gesellschaftlichen Zwängen widersetzen, davon erzählt Colombani in einer schlichten, anstrengungslosen Prosa, wobei sie dramaturgisch immer hart am Kitsch entlangbalanciert. Der Zopf wird zu Beginn lexikalisch als „drei ineinander verschlungene Haarstränge“ definiert, und natürlich spenden die Inderinnen ihre feinen Haare, damit diese in Palermo verarbeitet und der krebskranken Sarah nach einer Chemotherapie ihrer endgültigen Bestimmung zugeführt werden. Es ist ein arg schlichter Feminismus, dem die gelernte Filmemacherin Colombani hier seinen Weg bahnt, eine Art Feminismus light mit oberflächlichen Identifikationsangeboten, der aber, im Zusammenspiel mit dem globalen Setting, eine Erfolgsformel zu sein scheint.
Laetitia Colombani: Der Zopf. Roman. Aus dem Französischen von Claudia Marquardt. S. Fischer, Frankfurt/Main 2018. 286 S., 20 €.
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