Kultur: Die Skrupellosen sterben aus
Kirk Douglas gilt als Inkarnation des hartgesottenen Hollywood-Helden. Heute wird er 90
Er nennt sich „einen der Letzten“, vielleicht weil er sich scheut, wirklich der Letzte zu sein aus der stattlichen Riege der männlichen, der überaus männlichen Hollywood-Stars. Der schwere Schlaganfall, der ihn vor zehn Jahren erwischte, hat ihn zwar umgehauen, aber fällen konnte er ihn nicht. Er blieb ein Mann wie ein Baum. Und er hat gelobt, heute unter hundert Gästen stehen zu wollen und die neunzig Kerzen auf dem Geburtstagskuchen mit einem Puster auszublasen. Neunzig auf einen Streich.
Das entspricht dem kernigen Leinwand-Ethos, das Kirk Douglas mit längst abgetretenen Kollegen wie Burt Lancaster teilt, der vor zwölf Jahren starb. Lancaster war wahrscheinlich sein einziger Freund in Hollywood, mit dem er in sieben Filmen zusammen vor der Kamera stand, und über deren Beziehung John Frankenheimer von Kirk Douglas sagte: „He’s wanted to be Burt Lancaster all his life“ – als ob er das nötig gehabt hätte. Denn der als Issur Danielowitsch Demsky in Amsterdam geborene Spross einer jüdisch-weißrussischen Familie hatte sich durchgeboxt zu seiner Karriere wie kaum ein anderer. Die Eltern, des Lesens und Schreibens unkundig, brauchten zum Überleben der Familie die Arbeitskraft ihres Jungen, genannt Izzy, des einzigen Sohnes neben sechs Töchtern. Er ernährte die Familie samt trunksüchtigem Vater durch das Austragen von Zeitungen und den Verkauf von Obst.
Besessen vom Wunsch, Schauspieler zu werden und erfolgreich zu sein, ein Bilderbuchamerikaner der zweiten Generation, paukte er sich durch die harte Schule an der American Academy of Dramatic Arts, aus der schon Spencer Tracy und Katharine Hepburn hervorgegangen waren und schaffte es endlich, empfohlen von Betty Perske, die sich später Lauren Bacall nennen sollte, an den Broadway. Dass er bettelarm war, hat er immer als Ansporn, ja fast als Gnade empfunden, die seinen vier Söhnen aus zwei Ehen verwehrt geblieben sei.
So hart er zu arbeiten gelernt hatte, was ihm später auch half, sich fremde Sprachen in Crash-Kursen anzueignen, so ökonomisch ging er mit seinem Talent und dem Rollen-Image des hartgesottenen Draufgängers um, des rücksichts- und skrupellosen muskelbepackten Athleten, ob als Soldat, Offizier, Cowboy, Manager oder einfach nur Abenteurer und Lover. Sonderlich wählerisch war er nicht. Es kam ihm wie unnütze Energieverschwendung vor. Umso erstaunlicher und auch riskanter war dann der Entschluss, Vincent van Gogh in „Lust for Life“ zu spielen. Er trieb die Identifizierung so weit, dass er am Ende um seine eigene Persönlichkeit fürchten musste, im Spiegel kontrollierte, ob er sich nicht doch ein Ohr abgeschnitten hatte, und lange Zeit den schlurfenden Gang Vincents beibehielt. Dass er für diese wahrscheinlich größte darstellerische Leistung seiner Karriere für den Oscar wiederum nur nominiert wurde und wie alle Welt enttäuscht war, als ihn Yul Brynner bekam für das Musical „Der König und ich“, hat ihn lebenslang verletzt.
Es war symptomatisch: Hollywood hat ihn trotz seiner Erfolge und obwohl keiner seiner Filme ein schlimmer Flopp war, nie recht gemocht. Er selbst hat dafür gesorgt, indem er immer einen Sonderweg für sich beanspruchte und sich dann durch die Gründung einer eigenen Produktionsfirma vom Studiosystem unabhängig zu machen suchte. Er galt nicht nur als schwierig, er war es auch, und er war der Letzte, der sich gegen dieses Image gewehrt hätte. Nicht unbedingt sympathisch zu sein, gehörte einfach dazu; er wollte „der Kerl sein, den sie zu hassen lieben“.
Aus der Filmgeschichte ragt eindrucksvoll vor allem sein Colonel Dax in „Wege zum Ruhm“ und dessen energischer, wenn auch vergeblicher Kampf gegen menschenfeindliche französische Militärjustiz an der Front von 1918 in einem Film, der in Frankreich lange unterdrückt wurde. Zum ersten Mal war er mit dem damals noch blutjungen Stanley Kubrick konfrontiert, gegen den er die rigorosere erste Fassung des Drehbuchs durchgesetzt haben will. Die spannungsgeladene Begegnung mit diesem anderen starken Ego hielt ihn nicht davon ab, Kubrick zur Hilfe zu rufen, als Anthony Mann die Dreharbeiten von „Spartacus“ zu entgleiten drohten.
An Mut und sozialem Bewusstsein hat es ihm nie gefehlt, und als er als Einziger den Absturz eines Hubschraubers überlebte, fand er zum jüdischen Glauben zurück. Er verkaufte seine Kunstsammlungen und stellte das Geld für eine Alzheimerklinik, ein Frauenhaus und ausdrücklich multireligiöse Kinderspielplätze in Jerusalem zur Verfügung. Und dann reichte seine berserkerhafte Vitalität auch noch aus, nicht nur den schweren Schlaganfall und die Sprachstörungen zu überwinden, sondern mit Sohn Michael und weiteren Mitgliedern des Douglas- Clans vor die Kamera zu treten, in einem Film, der seinem Titel „Es bleibt in der Familie“ alle Ehre macht.
Als seinen liebsten Film bezeichnet er „Einsam sind die Tapferen“. Da ist er Jack Burns, ein Einzelgänger, der seine Rinderherde wie zu Zeiten des alten, wilden Westens durch New Mexico treibt, über den Highway, durch tausende Autos hindurch – der letzte Cowboy. Unvergesslich sind auch sein Spielfilmdebüt „Die seltsame Liebe der Martha Ivers“ und „Reporter des Satans“. Die Skrupellosen sterben nicht aus: der ehrgeizige Filmproduzent, der alkohol- und geltungssüchtige Staatsanwalt, der Reporter, dessen eiskalte Rücksichtslosigkeit den Zeitgenossen Anfang der fünfziger Jahre das Blut in den Adern erstarren ließ. Der Gentleman lag ihm fern. Und so wird man an seinem Geburtstag wohl eher nicht über seine Autobiographie („The Ragman’s Son“) sprechen. In ihr hat Kirk Douglas das Ansehen mancher Schauspielerin, die es unbedingt mit ihm habe treiben wollen, gründlich beschädigt.
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