Monica Bonvicini bei der Berlin Art Week: Die Sauberfrau
Meditation mit Peitsche: Monica Bonvicini verwirbelt in der Berlinischen Galerie die Luft - und reflektiert dabei über den Kunstbetrieb.
Wie fühlt sich ein Besucher in der zehn Meter hohen Haupthalle der Berlinischen Galerie? Klein! Ganz recht. 0,05 Kubikmeter Mensch stehen gegen 3612,54 Kubikmeter Raum. Mit diesen Volumengrößen hat die Künstlerin Monica Bonvicini ihre Ausstellung betitelt. Es ist keine Retrospektive, die der seit drei Jahrzehnten in Berlin lebenden Künstlerin zuteilwird, sondern eine auf die Haupthalle fokussierte Intervention. Bonvicini hat in ihrer langen Karriere immer wieder die innere Logik von privaten und öffentlichen Räumen, auch von Kunsträumen, untersucht. Sie ist eine Meisterin, wenn es darum geht, Architekturen auf ihre männlich konnotierten Machtstrukturen hin abzuklopfen und mit Materialien wie Leder, Ketten, Handschellen und Eisenstangen deren Fetischcharakter sichtbar zu machen.
Das Gebäude, in dem sich das Berliner Landesmuseum seit 2004 befindet, war früher ein Glaslager und hat auch nach dem Umbau zum Museum seine industrielle Anmutung behalten. Das Paradox ist: Weder die Decke noch die Wände der Haupthalle sind dafür ausgerichtet, Kunstwerke zu tragen. Sie sind dafür zu schwach. Mit diesem Dilemma müssen alle Künstler umgehen, die eingeladen sind, den Raum zu bespielen.
Bonvicini ist parallel bei der Istanbul Biennale vertreten
Bonvicini hat den Zugang zur Halle begrenzt. Ein Baugerüst stellt sich dem Besucher entgegen. Der kann aber durch eine Baustellentür den Kunstraum betreten. Auf der anderen Seite ist das Gerüst auf ganzer Höhe mit Aluminiumblech verkleidet, sodass sich eine spiegelnde Oberfläche ergibt. Das Material ist Bonvicini in der Türkei aufgefallen, wo Baustellen oft mit Blechwänden eingezäunt sind, sodass die Baugrube – und die Machenschaften dahinter – von außen nicht einsehbar sind. Die Künstlerin, die parallel zur Ausstellung in der Berlinischen Galerie bei der Istanbul Biennale vertreten ist, hat beide Schauen zeitgleich geplant. Eine direkte Verbindung hat sie dennoch nicht konstruiert. Bonvicini gönnt Berlin eine Arbeit, die sich allein mit der hiesigen Kunstinstitution und ihren Eigenschaften beschäftigt.
Es wirkt wie eine rituelle Ausfegung, die sie zur Art Week vornimmt. Ein schwarzer Besen fegt durch die Halle, verwirbelt 3612,54 Kubikmeter Luft. Er sieht aus wie ein Pferdeschweif, der mit Ledergürteln durchsetzt ist. Der Besen ist an einer Vorrichtung in zehn Meter Höhe befestigt und wird durch zwei Druckluftzylinder in einem festgelegten Rhythmus bewegt. Mal kreist er langsam, mal wird er schneller und knallt gegen die Wand. Man möchte davon nicht erwischt werden. Doch hat die Bewegung auch etwas Meditatives. Als würde diese Peitsche eine essenzielle Arbeit verrichten: Sie säubert den Raum und stellt eine vernachlässigte Ordnung wieder her. Die Luft für die Zylinder lässt Bonvicini aus dem Depot des Landesmuseums im Keller des Hauses ansaugen.
So wird auch wirklich echte Kunstluft durch diesen Kunstcontainer gefegt. Weitere Fetischobjekte wie zwei Bälle aus Ledergürteln in der Ecke oder die stummen Diener an der Wand tun ein Übriges, um die geschlechtsspezifische Aufladung von Architektur und Kunstwelt vorzuführen.
Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124 – 128, Eröffnung 15. 9., 19 Uhr, bis 26.2.2018, Mi bis Mo, 10 – 18 Uhr.
Birgit Rieger