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Heute startet Danny Boyles Fortsetzung des Kultilms "Trainspotting" im Wettbewerb. Allerdings außer Konkurrenz.
© Sony Pictures Releasing GmbH

Berlinale: "T2 Trainspotting": Die Rückkehr der wurstigen Helden

Danny Boyle setzt mit „T2 Trainspotting“ seine schottische Drogen-Saga fort. Der Film läuft im Berlinale-Wettbewerb außer Konkurrenz.

Wahrscheinlich sind die mittleren Jahre die schwierigsten. Vor allem für Männer. Es ist die Zeit, in der man endgültig nicht mehr behaupten kann, jung zu sein, und sich von der Illusion verabschieden muss, das Leben könne noch irgendwie glamourös oder aufregend werden. Ums Weitermachen geht es jetzt, darum, dem Älterwerden standzuhalten.

Gleich in der ersten Szene von „T2 Trainspotting“ bricht Renton (Ewan McGregor) auf dem Laufband in seinem Fitnessstudio zusammen. Herzinfarkt. Bei Spud (Ewen Bremner) sieht es nicht besser aus. Der glatzköpfige Langzeitjunkie mit den abstehenden Ohren hat wegen drogenbedingter Unpünktlichkeit seinen Job auf einer Baustelle und die Sozialhilfe verloren. Zu seinem pubertierenden Sohn hat er keinen Kontakt mehr. Simon (Jonny Lee Miller), der sich die Haare noch immer so blondiert, wie es in den frühen neunziger Jahren Mode war, fälscht Sexvideos und versucht vergeblich, Honoratioren damit zu erpressen. Und Begbie (Robert Carlyle), der seit zwanzig Jahren im Gefängnis sitzt, verprügelt seinen Anwalt in der Besucherzelle, als der ihm sagt, dass er auch noch in den nächsten fünf Jahren nicht freikommen wird.

Begbie ist der einzige, der den alten Schwung nicht verloren hat. Noch immer treibt sein Hass ihn an. Wahrscheinlich ist er in der langen Zeit hinter Gittern verrückt geworden. Vor zwanzig Jahren erzählte der britische Regisseur Danny Boyle in seinem stilprägenden Film „Trainspotting“ schon einmal von diesen wurstigen Helden. Damals waren sie unzertrennlich, klauten, dealten, betrogen, immer unterwegs auf den Straßen eines grauen, kaputten Edinburgh, das nichts mit seinen Postkartenansichten zu tun hatte, stets auf der Suche nach dem nächsten Schuss, dem nächsten Rausch.

Den Klassiker fortzusetzen wirkt waghalsig

„Trainspotting“ zeigte Heroinsüchtige, die im Dreck verkamen, und ein Baby, das starb, weil die Junkie-Eltern es vernachlässigten. Aber der Film fand auch Bilder für die Euphorie des Draufseins, verwandelte Drogentrips in psychedelische Videoclips. Dazu lief die Musik von Underworld, Primal Scream und Iggy Pop. Legendär ist die Szene, in der Ewan McGregor in die dreckigste Toilette Schottlands hinabtaucht, um ein Opiumzäpfchen zu retten, und sich in einer azurblauen Unterwasserwelt wie von Jacques Cousteau wiederfindet.

„Trainspotting“ – inzwischen ein Klassiker – fortzusetzen wirkt waghalsig. Aber Danny Boyle, der wieder auf ein Buch von Irvine Welsh zurückgegriffen hat, diesmal auf den Roman „Porno“, will es mit dem Vorgänger auch gar nicht aufnehmen. Das Tempo von „Trainspotting 2“, der außer Konkurrenz im Wettbewerb läuft, ist deutlich reduziert, der Film braucht einige Zeit, um aus dem Anekdotischen und Nostalgischen heraus und in Fahrt zu kommen. Der Soundtrack klingt diesmal retro, mit Remixen der alten Hits „Lust For Life“ und „Born Slippy“ und Songs von Blondie und Frankie Goes to Hollywood.

Nach Brexit wird schottisches Rotlichtgewerbe an Strahlkraft verlieren

Am Ende von „Trainspotting“ hatte Ewan McGregor als Mark Renton seinen Freunden 16.000 Pfund aus einem Heroindeal gestohlen, um in Amsterdam ein neues Leben zu beginnen. Jetzt kehrt er zurück nach Edinburgh und erfährt von seinem Vater, dass die Mutter bis zu ihrem Tod auf einen Besuch des Sohnes gewartet habe. Renton fühlt sich in der inzwischen rundumerneuerten und aufgehübschten Stadt wie ein „Tourist in der eigenen Jugend“. Ein schlechtes Gewissen hat er auch. Deshalb will er den alten Freunden – sind aus ihnen Fremde oder Feinde geworden? – ihr Geld zurückzahlen, jeweils 4000 Pfund in einem Briefumschlag.

„Port Sunshine“ heißt wie zum Hohn der alte Pub, in dem sich die Protagonisten einst trafen und der nun von Simon betrieben wird, den sie früher „Sick Boy“ nannten. Vom Sonnenschein kommt im dunklen Schankraum wenig an, die Häuser drumherum sind bereits abgerissen. Die Kundschaft besteht aus ein paar Trinkern im Rentenalter. Aber Simon hat große Pläne, er will den Laden zu einem Sexsaunaclub umbauen, mit Fördergeldern aus EU-Töpfen. Nach dem Brexit, so viel lässt sich sagen, wird das schottische Rotlichtgewerbe an Strahlkraft verlieren.

In einer ziemlich lustigen Szene verprügelt Simon den reuigen Rückkehrer Renton, der Abbitte leisten möchte für seinen Alleingang, mit einem Queue auf dem Billardtisch. Besonders eklig: Der Wirt spritzt dem wehrlosen Exfreund auf dem Schanktresen Limonade in den Mund. Mehr und mehr wird aus dem Buddy-Movie ein Highland-Western, der Showdown findet im Parkhaus statt.

11.2., 9.30 Uhr (Zoo Palast 1), 15.30 Uhr (Friedrichstadt-Palast) und 22.30 Uhr (International)

Christian Schröder

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