Zum Tod des Soundgarden-Musikers Chris Cornell: Die röhrende Stimme einer Generation
Die Definition von Grunge, bevor Nirvana überhaupt berühmt wurden: Der große, coole, dunkelhaarige Chris Cornell gehörte mit seiner Band Soundgarden zu den Guten. Ein Nachruf.
Als Kurt Cobain sich im April 1994 das Leben nahm, war der Grunge-Welt, der Rockwelt überhaupt, schnell klar, wer sein legitimer, womöglich gar charismatischerer, in jedem Fall noch um einiges besser aussehender Nachfolger werden würde: der große, coole, dunkelhaarige Chris Cornell von Soundgarden. Nur einige Wochen vor Cobains Selbstmord war das Soundgarden-Album „Superunknown“ erschienen, und auf MTV lief genauso oft wie die Nirvana-Unplugged-Session das Video der Soundgarden-Single „Black Hole Sun“. Das Stück überraschte als feinnervige, mitunter leicht bohrend-krächzende Ballade, die so ganz anders klang als die harten, fiesen, nicht gerade zugänglichen Rocksongs von Soundgarden bis dato.
Es war die hohe Zeit des alternativen Rocks, die Zeit, in der man mit „Corporate Rock Still Sucks“- Aufklebern des SST-Labels auf Autos oder Umhängetaschen oder wo auch immer seine korrekte Indie-Haltung dokumentierte. Und in der es den guten, authentischen Grunge noch zur Genüge gab, aber eben auch den bösen Plastik-Grunge, wie er, genau: von Corporate-Rock-Bands wie Alice in Chains und Stone Temple Pilots gespielt wurde.
Chris Cornell gehörte mit seiner Band, in der er erst am Schlagzeug saß und dann schnell nach vorn ans Mikro und zur Gitarre wechselte, zu den Guten. Wie Nirvana kamen Soundgarden aus Seattle, besangen in einem ihrer ersten Stücke die „Sub Pop Rock City“, die Stadt und ihr berühmtes Label Sup Pop, angelehnt an Kiss und ihre Hommage an Detroit und seine autoproduzierende Industrie - obwohl sie selbst ihr Debüt „Ultramega Ok“ bei eben jenem SST-Label veröffentlicht hatten. Und sie waren schließlich die ersten, die zu einer großen Plattenfirma wechselten und den Erfolgsweg bahnten für gleichgesinnte Bands wie Nirvana, Pearl Jam oder Mudhoney.
Soundgarden spielten einen schweren, metalllastigen Sound
Musikalisch definierten Soundgarden den Grunge, bevor Nirvana ihm die entscheidende Pop-Note und Pearl Jam das klebrige Pathos verleihen sollten: mit einem schweren, oft metallischen, mit psychedelischen Einsprengseln versehenen, sich an Bands wie Black Sabbath, Led Zeppelin und überhaupt den Siebzigerjahre-Rockdinosauriern orientierenden Sound – und mit Cornells eher quäkend-knödeliger denn röhrender Stimme.
So richtig wurde es aber nichts mit der Nirvana-Nachfolge für Cornell und Soundgarden. Die Popwelt interessierte sich wieder für anderes, zudem löste der New Metal den Grunge ab als noch dreistere, zackigere Spielart des Rock. Chris Cornell machte in Folge das, was Rockstars und Ex-Cobain-Nachfolger in diesem Fall so tun: Er veröffentlichte hier ein Soloalbum, produzierte dort ein bisschen, zum Beispiel ein Album der Grunge-Kumpels Screaming Trees - und gründete mit Mitgliedern von Rage Against The Machine eine neue Supergruppe, Audioslave.
Deren Songs klangen allerdings weniger nach Rage Against The Machine und mehr nach einem aus der Zeit gefallenen Grungerock. Dicker Daumen, stämmige Beine, feine Zwischentöne, Balladen. Klassikrock halt. Bei der Gründung hatte Cornell sich ausbedungen, keine explizit politischen Lyrics singen zu müssen. Sendungsbewusstsein war ihm fremd. Seine Botschaft sollten allein die Töne sein, die er seiner „stupid guitar“, wie er das mal gesagt hat, nicht müde wurde zu entlocken.
Chris Cornell hat viele seiner Generation und Freunde früh sterben sehen, vom Mother-Love-Bone-Sänger Andrew Wood über Kurt Cobain bis zu Jeff Buckley. Nun ist er im Alter von 52 Jahren in Detroit gestorben. Wie mehrere Medien in Bezugnahme auf den zuständigen Gerichtsmediziner berichteten, beging Chris Cornell Suizid. Er erhängte sich in seinem Hotelzimmer in Detroit.