Naseer Shamma im Pierre Boulez Saal: Die Reise mit der Oud
Die Oud trägt die Welt in sich, von Arabien bis Andalusien. Naseer Shamma tanzt mit den Fingern auf ihren Saiten - und nimmt das Publikum im Pierre Boulez Saal mit auf eine meditative Reise.
Der Raum wirkt noch so frisch, zwei Monate nach der Eröffnung. Hier einzutreten und Platz zu nehmen, stimmt schon freudig. Ein jedes Konzert im Pierre Boulez Saal ist jetzt eine Weihe. Der Architekt Frank Gehry entschied sich für Zedernholz. Sein Ton ist warm und offen, die Atmosphäre konzentriert. Der Solist Naseer Shamma betritt die Spielfläche, um die herum die Zuhörer sich im Oval versammeln, und trägt ein Instrument bei sich, das bezieht seinen Namen aus dem arabischen Wort für Holz. Die Oud. Die Mutter aller Lauten und Gitarren, über 4000 Jahre alt in ihrem Ursprung, grüßt den jungen Pierre Boulez Saal. Naseer Shamma hat seinem Konzert den Titel „World Without Fear“ gegeben.
Nie lässt sich wirklich sagen, ob die Oud traurig oder fröhlich klingt, nach Herbst oder Frühling. Sie besitzt eine Grundmelancholie, etwas Schattiges, aber vielleicht empfinden nur westliche Ohren das so. Shamma nimmt das Publikum auf eine meditative Reise mit, die alsbald vor dem „Bab Touma“ ankommt. So heißt ein Stück von ihm, er spielt an diesem Abend ausschließlich eigene Kompositionen. Bab Touma, so heißt eines der sieben Stadttore von Damaskus, der Eingang zum christlichen Viertel, das vor wenigen Jahren noch international geprägt war. Hier konnte man sich der Illusion von religiöser Toleranz und einem modernen Syrien hingeben. „Bagdads Night“ ist ein anderes Stück von Shamma, das zu orientalischen Träumereien verführt, wo es dort doch nur zu Alpträumen Anlass gibt.
Der Oud-Spieler wurde 1963 in Irak geboren. Er lernte sein musikalisches Handwerk am Konservatorium von Bagdad bei dem Großmeister Munir Baschir. Shamma baut jetzt in Berlin ein Oud-Zentrum auf. Es gibt verschiedene Techniken, die Oud zu spielen. Er demonstriert sie im Boulez-Saal: das harte Zupfen mit dem Plektrum, das Spiel mit fünf Fingern, und dann lässt er allein die Finger der Linken auf den Saiten tanzen, die rechte Hand ruht. Diese Technik hat er für Behinderte und Kriegsversehrte entwickelt, die nur eine Hand haben.
Am Ende spielt Naseer ein Requiem auf die Toten von Bagdad
Die Oud trägt die Welt in sich, von Arabien bis Andalusien. Auch dort gehörte sie viele Jahrhunderte zur Kultur, und man hört es. Wie der Flamenco durchbricht, der harte Rhythmus, das Stampfen und Klatschen, die Anrufung. Leonard Cohens Musik schöpfte aus diesen Quellen, er trat mit spanischen Musikern auf und fand seine Berufung in den Gedichten des Federico Garcia Lorca aus Granada.
Aber die Welt ist nicht ohne Furcht. Naseer spielt am Ende „Happened in Ameriyah“, sein Requiem auf die Toten von Bagdad im „Wüstensturm“. Über 400 Frauen und Kinder verglühten am Morgen des 14. Februar 1991, als der Al-Amariyah-Bunker von zwei lasergelenkten US-amerikanischen Bomben getroffen wurde. Die erste Bombe schlug ein Loch in die zwei Meter dicke Betondecke, die zweite entfachte kurz darauf einen Feuersturm in der Zivilschutzanlage. Der Oud entwinden sich schrille Sirenentöne. Alarm, Panik. Klangbilder einer nicht darstellbaren Realität. Damals Al-Ameriyah, heute Aleppo.
Rüdiger Schaper
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