Science Fiction Soul: Die Queen von Metropolis stellt ihr Album vor
Retrofuturistisches Meisterwerk: Die amerikanische Sängerin Janelle Monáe hat ihr Album „Archandroid“ in Berlin auf der Bread & Butter vorgestellt.
Weiße Puffärmel-Bluse, schwarze Reiterhose, schwarzer Samtumhang – die bestgekleidete Frau auf der Modemesse Bread & Butter ist an diesem Nachmittag kein Model und auch keine Hostess, sondern die Sängerin JanellMonáe. Scheinbar unbeeindruckt von den tropischen Temperaturen tanzt sie über die kleine Bühne auf dem Rollfeld und lässt die ersten drei Lieder ohne Pause ineinander übergehen. Bei „Locked inside“ glitzern die ersten Schweißperlen auf ihrer Stirn. Sie sieht aber immer noch todschick aus neben ihren drei ebenfalls schwarz-weiß gekleideten Musikern.
Dass die 24-jährige Sängerin aus Atlanta ihr erstes und vorerst einziges Deutschlandkonzert auf der Fashion Week spielt, ergibt durchaus Sinn, hat doch das visuelle Konzept bei ihr eine überaus wichtige Rolle. So zeigt sie das Cover ihres Debütalbums „The Archandroid“ mit dem Miniaturmodell einer Stadt als Kopfschmuck. Die Assoziation Metropolis ist gewollt, denn Fritz Langs Stummfilmklassiker hat das Album maßgeblich beeinflusst. Es erzählt die Geschichte des Androiden Cindi Mayweather, der im Jahr 2719 auf der Basis von Janelle Monáes DNA hergestellt wurde. Cindi will die unterdrückten Bürger von Metropolis befreien, wird jedoch von den Herrschern mittels einer Zeitmaschine ins Jahr 2010 katapultiert. Hier tritt sie nun in Herrenanzügen und mit Grace-Jones-Haartolle als Entertainerin auf.
Science-Fiction-Elemente gehören seit Langem zum Zeichenrepertoire des Pop. David Bowie, Parliament, Sun Ra, The Flaming Lips haben damit gespielt. Heute inszenieren sich R’n’B-Sängerinnen wie Rihanna, Beyoncé oder Christina Aguilera als Maschinenwesen. Verglichen mit deren glattem Plastik-Sound hat Janelle Monáe jedoch einen ganz entscheidenden Vorteil: Sie hat Soul! Und Funk! Ihre Single „Tightrope“ ist ein phänomenaler James- Brown-Gedächtnis-Hit. Das Wort „scene“ zischt die Sängerin dabei so wie der Godfather of Soul in „Sex Machine“. Ihr Entdecker Big Boi unterstützt sie sprechsingend. Ein weiterer Hit auf „The Archandroid“ ist das zackige „Cold War“, das entfernt an Outkasts „Hey Ya!“ erinnert.
Mit beeindruckender Leichtigkeit springt Monáe durch die Stile. Vom aufgekratzten Space-Pop, den sie in „Make the Bus“ zelebriert, schwebt sie im Duett mit Deep Cotton zum Gespensterfolk von „57821“. Und „Come alive“ klingt als hätten die Violent Femmes eine Scream Queen engagiert. Das Referenzuniversum dieses retrofuturistischen Meisterwerks, dem schon Wochen vor seiner Veröffentlichung ein gewaltiger medialer Begeisterungssturm vorausgeht, schließt außerdem Prince, Talking Heads, Stevie Wonder und Jimi Hendrix ein. Im Booklet listet die in Kansas City geborene Tochter einer Putzfrau und eines Müllmanns noch rund zwei Dutzend weitere Inspirationsquellen auf, darunter „Bob Marley‘s smile“, „Jack White‘s mustache“, „Walt Disney and Dalí“.
Dass das niemals zusammengestückelt oder willkürlich wirkt, liegt allein an der Persona Monáe, deren Leidenschaft und Stimmgewalt jede Note mit einem Glühen aufladen. Hier singt kein Produzenten-Püppchen, sondern eine selbstbewusste Frau, die sich mittels der für sie geschriebenen Songs zu einem Sci-Fi-Gesamtkunstwerk stilisiert. Auf dem Tempelhofer Feld hat das jedenfalls wunderbar funktioniert: Zum Abheben gut war die 45-minütige Show der kleinen Roboterfrau. Hoffentlich sind ihr anschließend nicht die Schaltkreise zerschmolzen.
„The Archandroid“ erscheint am 23. Juli bei Warner.
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