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© Illustration: Sfar/Carlsen

Klassiker: Die Prinzenrolle

60 Jahre Kleiner Prinz: Das philosophische Märchen erlebt eine Renaissance – als Pop-Up-Buch, im Comic und als Theaterstück.

Eigentlich hat dieses Werk keine Spielereien nötig. Schön anzusehen ist sie trotzdem, die Ausklappversion des Klassikers „Der Kleine Prinz“. In dem Pop-Up- Buch tritt der von einem Asteroiden auf die Erde herabgefallene Junge mit dem goldenen Haar dem Leser beim Öffnen der Seiten dreidimensional entgegen. Jede Szene ist in sich selbst entfaltenden, teils beweglichen Szenen nachgestaltet, die ein Künstlerteam aus Pappe und Papier auf Grundlage der Originalzeichnungen des Autors Antoine de Saint-Éxupery mit Liebe zum Detail umgesetzt hat.

Hier begegnet man ihnen wieder, all den Charakteren, die Generationen von Kindern und Erwachsenen seit nunmehr sechs Jahrzehnten begleiten: Der Trinker, der trinkt, um das Trinken zu vergessen, der König ohne Reich, der von Besitzsucht besessene Geschäftsmann, die von ihrer Schönheit berauschte und dadurch am Ende einsame Blume und der weise Fuchs, der einen jener kitschig-weisen Sätze sagt, die das Buch für manchen zu einer Sammlung von Poesiealbensprüchen degradiert haben: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

„Der Kleine Prinz“, von Saint-Exupéry unter dem Eindruck der Okkupation Frankreichs durch das nationalsozialistische Deutschland 1942 geschrieben und 1943 im US-Exil veröffentlicht, erlebt eine Renaissance. Neben dem Pop-Up-Buch (Verlag Karl Rauch, 70 Seiten, 29,90 Euro, mehr dazu und zu anderen Auflagen unter diesem Link) und einer neuen Übersetzung gibt es jetzt gleich eine Handvoll weiterer Neuauflagen und Neuinterpretationen des Märchens mit seinen psychologischen und politischen Anspielungen:

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Pop-Up-Prinz. In der jetzt erschienenen aufklappbaren Version des Klassikers kommen dem Leser die Figuren des Buches entgegen.
© Mike Wolff

Von einem neuen Hörbuch mit Jan Josef Liefers als Sprecher über eine multimediale Theaterinszenierung, die ab heute im Admiralspalast an der Friedrichstraße gastiert, bis hin zu einer Comicversion.

Im kommenden Jahr ist es 60 Jahre her, dass die philosophische Parabel des schriftstellernden Berufspiloten Antoine de Saint-Exupéry (1900–1944) auf Deutsch erschien. Seitdem hat der Verlag Karl Rauch annähernd neun Millionen Ausgaben des Kleinen Prinzen in Deutschland verkauft, rechnet Verlagsleiter Tullio Aurelio vor. Dazu kommen mehrere Hörbuchausgaben wie die kürzlich als CD veröffentlichte Lesung mit Jan Josef Liefers, von der in den vergangenen fünf Monaten knapp 30 000 Exemplare verkauft wurden. Weltweit zählt die in mehr als 180 Sprachen und Dialekte übertragene und mehr als 80 Millionen Mal verkaufte Erzählung zu den meistgelesenen Büchern.

Dass die auf einem persönlichen Erlebnis Saint-Exupérys basierende Erzählung von dem überirdischen Jüngling und seinem sieben Tage währenden Besuch bei einem in der Wüste notgelandeten Piloten bis heute ungebrochen populär ist, lässt sich mit bloßen Jahrestagen und geschickten Marketingtechniken alleine jedoch nicht erklären.

„Dieses Buch behandelt in einfachen Worten die Grundbedingungen des Menschseins: Einsamkeit, Krise, Kindheit, Erwachsensein, Freundschaft, Liebe, Tod und Hoffnung“, sagt Mathias Jung, Psychotherapeut, Philosoph und Autor des inzwischen in sieben Sprachen übersetzten und demnächst in einer neuen Ausgabe erscheinenden Buches „Der Kleine Prinz in uns“. Nur eines fehlt ihm: Eine couragierte weibliche Figur im Kleinen Prinzen. „Das würde vor allem jungen weiblichen Leserinnen eine Identifikationsfigur geben.“

Der Verleger des Buches mag an seinem Erfolgstitel vor allem die „philosophische Valenz“, wie es Tullio Aurelio nennt: „Der Kleine Prinz ist wie jedes gute Märchen eine Erzählung, die Erwachsene gerne den Kindern vorlesen, weil sie es selbst gern haben.“ Eine von Aurelio besonders geschätzte Neuinterpretation ist das Theaterstück der Berliner Drehbühne. Die habe auch ihm als Kenner des Kleinen Prinzen „die Ohren und das Verständnis für die Sinnvielfalt der Erzählung eröffnet“, sagt er.

Für den Regisseur dieser auch auf CD und bald zusätzlich als DVD vorliegenden Inszenierung, Lorenz Christian Köhler, fasst der Kleine Prinz die Essenz der philosophischen Erkenntnisse zusammen, die Saint-Exupéry in seinem kurzen Leben – er kehrte 1944 von einem Aufklärungsflug nicht zurück, erst vor gut zehn Jahren wurde das Wrack seiner Maschine vor der Küste Marseilles entdeckt – gesammelt hat. „Dieses Buch komprimiert auf einfachste Weise viele Wahrheiten über das menschliche Zusammenleben und dessen Auswüchse“, sagt er.

Köhlers Inszenierung, die Filmszenen mit Darstellern wie Bruno Ganz und Armin Rohde mit Puppentheater und Schauspiel verbindet,

wird vom 22. Dezember bis zum 10. Januar im Admiralspalast aufgeführt (Tickets: 12–25 Euro, mehr dazu hier). Für Köhler war die erneute Lektüre des ihm aus Kindertagen bekannten Kleinen Prinzen als Erwachsener der Auslöser, die Drehbühne zu gründen, um das Buch theatralisch umsetzen zu können. Seit 2004 tourt das Ensemble damit quer durch Deutschland, mehr als 30 000 Zuschauer haben das Stück seitdem gesehen.

Aus Frankreich ist zudem eine weitere Hommage an den Prinzen kürzlich ins Deutsche übertragen worden, die eine neue Generation von jungen und älteren Lesern zusätzlich ansprechen dürfte. Der Comiczeichner Joann Sfar, der als ebenso experimentierfreudiger wie intellektuell anspruchsvoller Erneuerer des frankobelgischen Comics gilt, hat Saint-Exupérys Werk als bunte Bildgeschichte nacherzählt. In der Comic-Interpretation (Carlsen-Verlag, 110 Seiten, 14,90 Euro, mehr dazu hier) ähnelt der Kleine Prinz den Zeichnungen im Original, wirkt aber mit seinen großen Augen und einem teils skizzenhaften Strich noch jünger und lebendiger. Nimmt man sich anlässlich des Jahrestages mal wieder das Ursprungsbuch aus den 40er- Jahren zur Hand, wird allerdings schnell deutlich: Keine noch so gelungene Neuinterpretation kann es mit dessen zeitloser Aura aufnehmen.

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