Fotografie: Die Muse macht's
Mehr als nur ein bisschen unheimlich: Die Ausstellung "Female Trouble" in der Münchner Pinakothek der Moderne zeigt Werke von 34 Künstlerinnen, in denen es um körperliche Experimente, Fetisch und Klischeebrüche geht.
Wenn man anlassgemäß darüber nachdenkt, wo in den zwei anderen Münchner Pinakotheken eigentlich Bilder von Frauen hängen, bleibt es bei Angelika Kauffmann und Marguerite Gérard. Und in der Pinakothek der Moderne natürlich: Gabriele Münter und Paula Modersohn-Becker. Reinhold Baumstark weiß noch mehr, die übers Areal verstreut sind: Rosalba Carriera, Rachel Ruysch, Marianne von Werefkin. Aber bitte: Baumstark ist der Generaldirektor. Ansonsten schaut es eher schummrig aus um die Frau als Produzentin in der Kunstgeschichte. Muse: ja, Macherin: eher nein. Obwohl sich die Zeiten geändert haben.
Hier setzt die 180 Werke umfassende Fotoschau von 34 Künstlerinnen ein, die in der Pinakothek der Moderne zu sehen ist. Auf der theoretischen Ebene zieht sie zunächst Judith Butlers Buch "Gender Trouble" heran, das klugerweise nicht nur die Geschlechterrollen (und also den etablierten männlichen Blick) diskutiert, sondern gleichzeitig die Dualität der Geschlechter: Verstehe man Weiblichkeit als Maskerade, behauptet Butler, gelte das doch wohl auch für Männlichkeit. Folglich seien vor allem die Funktionen der Maskerade interessant. Was die Frau betrifft, stelle sich also die Frage: Ist sie ein Schauspiel, um die Erwartungen von außen zu bedienen? Oder ist sie Schutz vor der Festlegung, mithin eine Flucht nach innen? Sobald Frauen die Fotografie als Kunstform entdeckten, mittels derer sie sich vielleicht würden bemerkbar machen können, wurde diese These ansatzweise bereits verhandelt, unter anderem von der Psychoanalytikerin Joan Rivière.
Klischees brechen und Kunstgeschichte zitieren
Davon ausgehend bildet nicht zufällig das Werk der Amerikanerin Cindy Sherman den Mittelpunkt der Münchner Schau. Shermans Serien wie "Untitled Film Stills" haben zunächst etwas vermeintlich Einladendes: Man meint die exakt ausgerechneten und komponierten Posen der Frauen auf den Bildern zu kennen - nämlich von Douglas-Sirk-Filmen her, wo die Frau immer das (schöne) Opfer ist. Doch hat jede Fotografie ihren Widerhaken. Permanent bricht Cindy Sherman jene Klischees, die sie scheinbar "nur" abbildet. Absichtlich zitiert sie die Kunstgeschichte in ihren "History Portraits", in denen das Dargestellte - sei es eine Amme oder Madonna - ganz schnell der Aura klassischer Malerei beraubt wird. Selbstbewusst mit dem Material spielend, reckt Cindy Shermann dem Betrachter ihr (welkes, üppiges) Fleisch entgegen. Angewidert sei sie davon, sagt Cindy Sherman, dass Menschen bestimmten Schönheitsidealen hinterherliefen. Dass die zumeist aus Schablonen bestehen, beweisen ihre Arbeiten.
Einen anderen Weg, aber in dieselbe Richtung, geht in der absichtlich nicht chronologisch geordneten Ausstellung die 1986 verstorbene kubanischamerikanische Künstlerin Ana Mendieta. Sie experimentiert mit ihrem eigenen Körper, dessen Nacktheit sie immer wieder mit Glasscheiben zusetzt: Das Fleisch wird gepresst und verunstaltet. So oder so ist es ein Akt der Vergewaltigung, aber wie er wirklich zu deuten ist, überlassen die Fotos dem Kopf des Betrachters.
Zu Gast als Geist
Wie weit der Weg gewesen ist von den Posen, die sogenannten Schönheitsgöttinnen bis heute zugeordnet werden, bis hin zu Einstellungen, die eben diese Klischees zu vermeiden suchen, wird deutlich an den Bildern, die einerseits Comtesse di Castiglione von sich anfertigen ließ und andererseits Francesca Woodman knapp hundert Jahre später von sich macht: Die Castiglione lässt sich, ganz Grande Dame, als Fetisch ablichten, eine Reflexion findet nicht statt. Von Woodman erkennt man selbst das Gesicht und die Körperpartien kaum noch. Auch die Gesetze der Schwerkraft scheinen in den abgewohnten, einst herrschaftlichen Räumen nicht mehr zu gelten, in deren Mauern Woodman lediglich noch als Geist zu Gast scheint. Das ist mehr als nur ein bisschen unheimlich. Wer "Female Trouble" sieht, fröstelt.
Pinakothek der Moderne, bis 26. Oktober. Katalog (Hatje/Cantz) 34 Euro.
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