zum Hauptinhalt
Das einsame Ich. Luca Pisaroni singt Lieder über Lebensschmerz mit tiefer Stimme.
© Catherine Pisaroni

Luca Pisaroni im Boulez Saal: Die Mühen des Aufstiegs

Bassbariton Luca Pisaroni mit einem Schubert-Abend im Pierre Boulez Saal.

Nicht nur das Wort „Lied“ ist deutsch, auch das Genre. Denn es blühte vor allem in den deutschsprachigen Ländern – und Franz Schubert war sein Herold. Luca Pisaroni hat einmal in einem Interview gesagt: „Wir Italiener haben ja keine reiche Liedtradition, unsere Lieder sind qualitativ mit den deutschen nicht zu vergleichen.“ Schaut man sich das Repertoire des Bassbaritons an, der seine Karriere als Masetto in Salzburg unter Nikolaus Harnoncourt startete, findet sich in der Tat viel Italienisches und Französisches: Rossini, Offenbach, Debussy – und eben Mozart, der ja meisterhaft zwischen dem deutschen und italienischen Kulturkreis hin- und herglitt. Ab und zu traut sich Pisaroni auch ans Lied, wie jetzt mit einem reinen Schubert-Abend im Pierre Boulez Saal.

Man spürt, wie tief die Stimme sitzt, wie sie sich im unteren Drittel des Registers am wohlsten fühlt, dort gelingen ihm ergreifende, raumgreifende Augenblicke. In den meisten Liedern vor der Pause spricht ein einsames Ich voller Todessehnsucht, wie in „Schatzgräbers Begehr“. Die Namen Franz von Schober oder Ernst Schulze sagen uns heute nichts mehr, sie  haben nur in ebendiesen Vertonungen durch Schubert überlebt. Pisaroni singt, als hätte er ein Bergmassiv vor sich, und die Mühen des Aufstiegs sind hörbar, die Textverständlichkeit leidet. Gerne lässt er Konsonanten weg, singt „küh“ statt „kühl“ – Kleinigkeiten, die sich aber addieren. Manchmal bricht die Stimme, das könnte man wohlwollend als authentisches Empfinden interpretieren. Was beim unsanft nachgedrücktem Quartsprung auf „Liebe“ in „An die Leier“ nicht mehr geht.

Der Italiener singt in seiner Muttersprache deutlich gelöster

Überhaupt keine Schwierigkeiten mit dem Repertoire hat Malcom Martineau, der Pisaroni mit aufgeräumter Heiterkeit begleitet; die Impulsivität des Pianisten zieht den Sänger mit. Der Italiener, das spürt man in vier kurzen Liedern auf Texte von Metastasio, singt in seiner Muttersprache deutlich gelöster. Mit sieben Liedern auf Verse von Goethe geht’s zurück nach Deutschland, aber Pisaroni bleibt seltsam abgedichtet gegen den Sinn des Dichterworts, auch wenn ihm in „Grenzen der Menschheit“ ein organisches Legato gelingt. Dann aber, ach, der „Erlkönig“: Die wilde Hatz der aufsteigenden Achtel im Klavier findet keine Entsprechung im sedierten Gesang, die vier Stimmen von Erzähler, Vater, Sohn und Erlkönig klingen alle ähnlich, sind kaum dramatisch voneinander abgesetzt. „Für einen Italiener in Berlin Schubert zu interpretieren, das ist so, als müsse ein Deutscher ,Tosca‘ in Mailand singen“, sagt Pisaroni in den Applaus hinein. Es klingt ein bisschen wie eine Entschuldigung.

Zur Startseite