Berlin Art Week: Die Messe Art Berlin punktet mit hoher Qualität
Klarheit und Übersichtlichkeit: Nach Jahren der Experimente stellt sich die Art Berlin im Flughafen Tempelhof als klassische Messe auf.
Man kann sich ohne Wehmut ändern, das beweist die Art Berlin in diesem Jahr. Nachdem die Vorgängermesse Art Berlin Contemporary (ABC) sechs Jahre lang versuchte, mit einem alternativen Format zwischen Messe und Ausstellung zu reüssieren, stellt sie sich nun klassisch auf. Zuvor hat man individuelle Experimente gepflegt, jetzt, mit der Kölner Messegesellschaft als Partner, liegt der Akzent auf Klarheit und Übersichtlichkeit. Am neuen Ort, in den Hangars am Flughafen Tempelhof, kommt man schnell durch die Reihen der selten aus dem Raster springenden Kojen. Etwas halb gar war die klassische Messearchitektur im vergangenen Jahr im „Station“ am Gleisdreieck noch, doch nun hat das Team um Messechefin Maike Cruse nachjustiert. Die Galerien sind sogar nach Größe und Programm gruppiert, so dass man selbst ohne Floorplan darauf kommen kann, wer wo ausstellt. 121 Galerien aus 21 Ländern sind dieses Mal dabei.
Aus dem winzigen Ort Garzón im Süden Uruguays ist die Galerie Piero Atchugarry angereist. Im Dezember eröffnet Galerist Atchugarry eine große Dependance in Miami, parallel zur Art Basel Miami. Zunächst aber hat er sich für die Art Berlin entschieden, vor allem, um die hiesigen Institutionen und Kuratoren mit seinen Künstlern zu verbinden. Die kommen aus Italien, Uruguay und Japan, wie der in New York lebende Yuken Teruya. Teruya schneidet zarte Bäume und Strukturen in Monopolygeld oder papierene Einkaufstaschen. Ein Exemplar aus seiner Shoppingtüten-Serie kostet 16 500 Euro.
Im zweiten Jahr ihrer Neuausrichtung gilt die Art Berlin immer noch als günstige Messe. Ein 20 Quadratmeter großer Stand kostet 5300 Euro. Für einen Stand in der neuen Sektion „Special Projects“, der für Einzelpräsentationen und kuratierte Gruppenausstellungen vorgesehen ist, zahlt man 3600 Euro. Das soll Galerien dazu animieren, wenig etablierte Künstler mitzubringen oder sperrigere Positionen zu wagen. Also doch noch ein Raum für Experimente. 28 Galerien sind in dieser Sektion zu finden. Ihre Kojen reihen sich wie ein fortlaufendes Band am linken Rand der beiden Hangars auf. Das sorgt für Klarheit und gute Sichtbarkeit. Heike Tosun von der Berliner Galerie Soy Capitan stellt mit der jungen Britin Paloma Proudfoot eine Bildhauerin vor, die Keramikkunst mit Themen wie Fetisch und Feminismus verbindet. Die Stücke kosten zwischen 2500 und 4000 Euro und sind damit auch für junge Sammler erschwinglich.
Mit der Köln Messe herrscht Planungssicherheit
56 der 90 Galerien in der „Galleries“-Sektion kommen aus Berlin, darunter auch große Player wie Neugerriemschneider, Sprüth Magers und König. Schön bestückt ist der üppige Stand von Klaus Gerrit Friese, etwa mit Kugelschreiberzeichnungen von Thomas Müller. Bei Dittrich & Schlechtriem reicht die Fläche sogar, um Asger Carlsen fast schon eine kleine Retrospektive auszurichten. Die marktdominierenden, internationalen Kunsthändler bleiben bisher aus. Doch im Gegensatz zu den Jahren, in denen die ABC von Galeristen privat betrieben wurde und nie klar war, ob und in welcher Form es sie im nächsten Jahr noch geben wird, herrscht mit der Köln Messe jetzt die Planungssicherheit, die die großen Player mit übervollen Terminkalendern brauchen.
Eine weitere Reminiszenz an die alte ABC, die sich als „kuratierte Verkaufsschau“ sah, ist das neue Format „Salon“. Für die erste Ausgabe hat der Berliner Kurator Tenzing Barshee auf hundert Quadratmetern 50 Kunstwerke – überwiegend Malerei, einige wenige Fotografien und Skulpturen – in einem labyrinthartigen Ausstellungsparcours kombiniert. Die Werke stammen aus etwa 40 Galerien, die wiederum 500 Euro dafür zahlen, dass sie hier mit einem Künstler vertreten sind. Ausstellungsbeteiligungen en miniature, die die Messe insgesamt beleben. Barshees Konzept geht auf, er hat rhizomatisch gehängt, so dass sich Gemälde von Silvie Fleury, Katharina Wulff und Gina Beavers gegenseitig kommentieren – so unterschiedlich sie in Material, Ausführung und Thema sein mögen. Von der 1969 auf Hawaii geborenen Malerin Rebecca Morris macht ein Ölgemälde mit pudrigen Mustern auf krass gespannter Leinwand Lust auf mehr. An Malerei und Zeichnung in guter Qualität mangelt es insgesamt nicht bei der Art Berlin.
Birgit Rieger