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Das legendäre Beatles-Cover vom Album "Abbey Road" aus dem Jahr 1969, fotografiert von Iain Macmillan.
© Apple Records

Ausstellung bei C/O Berlin: Die Magie des Plattencovers

Von den Beatles bis Madonna: Die Ausstellung „Total Records. Vinyl & Fotografie“ zeigt, wie die Gestaltung von Plattencovern zu einer eigenen Kunstform wurde.

Für ihr elftes Album hatten sich die Beatles etwas Besonderes ausgedacht: Die Platte mit dem Arbeitstitel „Everest“ sollte ein Cover bekommen, auf dem die Fab Four vor der Kulisse des Mount Everest zu sehen wären. Größte Band der Welt vor höchstem Berg der Welt. Doch der Plan, zum Himalaja zu fliegen und sich dort fotografieren zu lassen, erwies sich als zu irre, zumal der Veröffentlichungstermin näher rückte. Also kam man auf die bodenständigere Idee, die Musiker einfach über den Zebrastreifen vor ihrem Londoner Aufnahmestudio laufen zu lassen. Die Sonne schien am 8. August 1969 in der Abbey Road, der Schotte Iain Macmillan fotografierte, nach einer Viertelstunde war die Sache im Kasten.

Für „Lovesexy“ porträtierte Jean-Baptiste Mondino 1988 Prince.
Für „Lovesexy“ porträtierte Jean-Baptiste Mondino 1988 Prince.
© Paisley Park

„Abbey Road“, wie das Werk sinnigerweise getauft wurde, gehört mit über 30 Millionen verkauften Exemplaren zu den erfolgreichsten Alben der Pophistorie. Das Cover wurde zu einer Ikone der Popkultur, von anderen Musikern auf deren Platten zitiert, von Fans nachgestellt, unzählige Male nachgedruckt, abgebildet, ins Internet hochgeladen. Vermutlich ist das Zebrastreifen-Bild eine der bekanntesten Fotografien überhaupt.

Das Cover von „Abbey Road“ – sowie einige seiner originellen Parodien – gehört zu den zentralen Werken der Ausstellung „Total Records. Vinyl & Fotografie“ bei C/O Berlin. Im Obergeschoss des früheren Amerikahauses illustrieren rund 400 Beispiele die symbiotische Beziehung, die es seit den fünfziger Jahren zwischen der Fotografie und der Covergestaltung von Schallplatten gibt.

Viele Musikhörer sehnen sich nach dem optischen und haptischen Erlebnis der Langspielplatte von einst

Der Zeitpunkt der aus Frankreich übernommenen und um Berliner Themen erweiterten Ausstellung ist gut gewählt. Denn einerseits hat die Entkopplung der Musik von physischen Tonträgern zu einer sinnlichen Verarmung geführt, die wehmütige Erinnerungen an die goldene Ära des Vinyls weckt. Passend dazu manifestiert sich die Sehnsucht vieler Musikhörer nach den in Zeiten von Streamingdiensten und Downloads verlorenen optischen und haptischen Qualitäten der Langspielplatte in einem zwar in absoluten Zahlen bescheidenen, in seiner Wirkung aber weitreichenden Comeback des nostalgischen Formats.

Miles Davis ließ sich für sein Album „Tutu“ 1986 von Irving Penn fotografieren.
Miles Davis ließ sich für sein Album „Tutu“ 1986 von Irving Penn fotografieren.
© Warner Bros. Records

Auch wenn Fotografien nur eine von diversen Möglichkeiten der Covergestaltung waren, erkannten Bands und Plattenfirmen früh das große Potenzial, das das in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre als Standard durchgesetzte LP-Format auf den 30 mal 30 Zentimeter großen Hüllen bot. Die Kunst der Fotografen wurde zur Bildung einer Corporate Identity genutzt. Beispielhaft sind dafür etwa die Bilder von Lee Friedlander für das Atlantic-Label, David Baileys Bandporträts für die ersten Alben der Rolling Stones oder die gestochen scharfen Detailaufnahmen auf den Platten des Münchner Jazz-Labels ECM.

Nicht selten waren die Karrieren von Musikern und Fotografen miteinander verknüpft. Der Flamenco-Gitarrist Manitas de Plata etwa profitierte von den charismatischen Porträts, die Lucien Clergue für dessen Plattencover schoss, seine Popularität strahlte auf den Fotografen zurück. Anton Corbijn war bereits berühmt, als er die grobkörnigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von U2 machte, die diese 1987 auf ihrer LP „The Joshua Tree“ verwendeten. Doch der Welterfolg der Platte machte Corbijns Namen auch in Kreisen bekannt, die sich für Fotografie als Kunstform nie interessiert hätten.

Andreas Gurskys fleischiges Tableau für Die Toten Hosen, Bernd und Hilla Bechers Generator auf dem Innencover der ersten Kraftwerk-LP, Helmut Newtons laszives Porträt auf der einzigen LP von Catherine Deneuve, Cyndi Lauper von Annie Leibovitz, Madonna von Herb Ritts, Miles Davis von Irving Penn, die Humpe-Schwestern von Peter Lindbergh, Grace Jones von Jean- Paul Goude, Prince von Jean-Baptiste Mondino – die Ausstellung zeigt prägnante Beispiele für namhafte Fotograf*innen, deren Kunst auf Plattencovern verewigt wurde.

Über 300 Motive sind von Jim Rakete bei C/O Berlin zu sehen

Zu den meistgebuchten Coverfotografen gehört der Berliner Jim Rakete. Von seinen über 300 Motiven sind einige der bekanntesten zu sehen, darunter Platten von Nena, Nina Hagen und Harald Juhnke, aber auch ein Foto der Ost-Berliner Band Silly, das auf der Rückseite ihres Amiga-Albums „Bataillon D’Amour“ abgedruckt wurde.

Ähnlich häufig wie eigens angefertigte werden bereits vorhandene Fotos als Covermotiv verwendet. So wurde eine auf der Reeperbahn aufgenommene Milieufotografie des Schweden Anders Petersen zur kongenialen Illustration von Tom Waits’ torkelnden Blues-Exerzitien, ebenso wie die schockierende Aufnahme eines sich selbst verbrennenden Mönches für den wütenden Protestrock der Band Rage Against The Machine.

Das Cover von Grace Jones’ „Island Life“ von 1985 stammt von Jean-Paul Goude.
Das Cover von Grace Jones’ „Island Life“ von 1985 stammt von Jean-Paul Goude.
© Island Records

Eine wichtige Sektion ist erotischen Motiven gewidmet. Immer wieder wurden, vor allem in sittenstrengen US-Bundesstaaten, Cover zensiert: Die nackten John Lennon und Yoko Ono steckte man in eine neutrale Packpapierhülle, die aufreizenden Damen auf dem Roxy-Music-Album „Country Life“ wurden gleich ganz entfernt – nur ein Nadelgehölz im Hintergrund blieb bei der (in Sammlerkreisen begehrten) zensierten Ausgabe erhalten.

Es ist natürlich ein Manko von „Total Records“, dass bei dem unermesslich reichen Quellenmaterial und der Bandbreite der gesetzten Themen – zu nennen wären noch die Künstlercover von Robert Rauschenberg bis Valie Export oder die einer Trash-Ästhetik verschriebenen Berliner Avantgarde-Acts der frühen 80er – jedes einzelne etwas zu kurz kommt. Plattennerds werden sich in der locker gehängten Ausstellung ständig Nebenwege mit weiteren Covern wünschen. Andererseits dürften gerade sie froh sein, dass der Gegenstand ihrer Sammlerleidenschaft mit den Weihen der Kunst geadelt wird. Auf der nächsten Plattenbörse werden sie dann wieder unter sich sein.

C/O Berlin, Amerikahaus, Hardenbergstr. 22–24, bis 23. 4., tgl. 11–20 Uhr.

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