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Hartmut Dorgerloh wird Intendant des Humboldt-Forums.
© Foto: Bernd Settnik/dpa-Zentralbild/dpa

Humboldt-Forum: Die Lust am prospektiven Misslingen

Immer im falschen Film? Das Humboldt-Forum braucht Zeit und Zuversicht, ebenso wie sein neuer Generalintendant. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rüdiger Schaper

Wagen wir ausnahmsweise einmal einen optimistischen Ausblick: Im Sommer 2019 wird der 250. Geburtstag des Universalgelehrten Alexander von Humboldt gefeiert, und bald darauf eröffnet das nach ihm und seinem nicht weniger inspirierenden Bruder Wilhelm benannte Humboldt-Forum in Berlin. Die Menschen drängen in die Sammlungen aus Übersee, bei freiem Eintritt lädt der neue Museums- und Veranstaltungskomplex zum Entdecken ein, zum Diskutieren. Plötzlich verströmt das Ensemble mit der Museumsinsel Weltläufigkeit, Intelligenz, Geistesgegenwart. Berlins Kulturlandschaft erweitert ihren Horizont.

Das war, wie gesagt, ein tollkühner Versuch, der vertrackten und versackten Diskussion über das Humboldt-Forum eine andere Richtung zu geben. Das Humboldt-Forum liegt, was keine Kleinigkeit ist, im Kosten- und Zeitplan, doch es droht von Erwartungen und Ansprüchen erdrückt zu werden.

Zweifel und Misstrauen sitzen tief. Als Hartmut Dorgerloh als der künftige Generalintendant präsentiert wurde, hat man die Kluft wieder deutlich gesehen, die sich bei fast jeder Gelegenheit rings um das Jahrhundertunternehmen auftut. Während die einen jubeln, dass der langjährige Chef der preußischen Schlösser und Gärten – ein Schimpfwort? – so wunderbar besucherfreundlich sei, monieren andere, mit Dorgerloh sei eine Chance vertan, sich den brennenden Fragen der Welt zu stellen, eine Art Thinktank aufzubauen.

So läuft das beim Humboldt-Forum, dieses Riesending in der Mitte der Hauptstadt: immer falsch

So läuft das mit dem Riesending in der Mitte der Hauptstadt: immer falsch. Der Ansatz ist entweder zu populär oder zu verkopft. Zu museal oder zu performativ. Zu kuratorisch oder zu konventionell. Egal wie, das Humboldt-Forum gilt als sprudelnde Fehlerquelle. Schon die Idee der Schlossfassade war Unsinn, und jetzt wird der Kuppel auch noch ein Kreuz aufgesetzt! Und die Provenienzforschung macht kaum Fortschritte. Viele Objekte, die den Umzug aus Dahlem machen, könnten gestohlen sein, koloniale Beute. Und warum muss sich im Humboldt-Forum auch noch Berlin mit seiner Geschichte präsentieren, und mit welcher? Für jeden Kritiker ist hier etwas im Angebot.

Das Humboldt-Forum wirkt wie ein Kosmos schwarzer Löcher. So oder so, man kommt immer nur zu einem schlechtem Ergebnis. Doch diese rückwärtsgewandte Betrachtung ist ignorant und führt nicht weiter. Erst mal ablehnen, dann hinschauen. Typisch Berlin: Alexander von Humboldt, der sich nach Jahrzehnten in Amerika und in Paris wieder in seiner Geburtsstadt niederließ, wurde angefeindet, weil er das Unmögliche wollte und manchmal auch erreicht hat. Seine Geschichte spiegelt sich im Humboldt-Forum. Ein Zukunftsprojekt dieser Größenordnung braucht Zeit und – man wagt es in dieser aktionistischen Stadt kaum zu sagen – Gelassenheit. Bis die Substanz sich zeigt.

Das Humboldt-Forum braucht Gelassenheit, bis sich die Substanz zeigt

Die kürzlich in der Humboldt-Box eröffnete Ausstellung „Laut – die Welt hören“ deutet an, wohin der Weg führen könnte. Es gibt viel zu erkunden in den Berliner Sammlungen, die in Dahlem für das breite Publikum am Rande lagen. Sie werden in einem neuen Licht erscheinen. Die Tonarchive haben ausgestorbene Sprachen, vergessene Musik, kostbare Dokumente der menschlichen Sprache bewahrt.

Frische Formen der Präsentation sind zu probieren. Stünde das Humboldt-Forum in Paris oder London, würde man neidvoll hinschauen und einen Flug buchen. Die Entstehungsgeschichte ist keine glückliche gewesen, begleitet von bitterem Streit um Vergangenes und Zukünftiges von Anfang an. Der Palast der Republik musste abgeräumt werden, und bis heute besitzt Franco Stellas Schlossarchitektur wenig Überzeugungskraft. Allein, die Fakten sind geschaffen. Man schaut besser nach vorne, die retrospektiven Phasen sind Tempi passati. Es lebt sich ja auch sonst ganz gut in dieser Stadt mit ihrer nach der Wende hektisch durchgesetzten, oft unguten Architektur.

So passt das Humboldt-Forum zu Berlin. Was in diesem seltsamen Haus geschieht, ist ein groß angelegtes, riskantes Experiment, die Zivilisationen der Welt zu präsentieren, zu befragen, über die Objekte multikulturelle Geschichten zu erzählen, wie es Gründungsintendant Neil MacGregor schon im British Museum vorgeführt hat. Gewiss, das Schloss, wie es die meisten nennen, ist ein Hybrid, doch deshalb nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt.

Es gibt eine Lust am prospektiven Misslingen

Es gibt eine Lust am prospektiven Misslingen, ein Bedürfnis, das Humboldt-Forum mit sämtlichen Problemen des Kulturbetriebs zu beladen. Es bietet sich dafür auch an. Aber wenn das Experiment funktioniert, und man muss es hoffen und wollen, dann bleibt der Block trotz seines Volumens beweglich, sortiert sich stets aufs Neue, folgt der Idee des offenen, globalen Hauses und treibt damit andere Institutionen an. Das Forum als Katalysator.

Die Brüder Humboldt waren Visionäre, fabelhafte Vermittler von Wissen und Kultur und Welten. Sie besaßen eine in Berlin inzwischen seltene Eigenschaft: unstillbare Neugier. Und Mut.

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