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Zwei von drei. Johannes und Wilfried (re.) Kuehn haben gemeinsam mit Simona Malvezzi 2001 ihr Architekturbüro gegründet. In Berlin haben sie unter anderem die Rieckhallen im Hamburger Bahnhof gestaltet.
© Mike Wolff

Architektur: Die Liebe zum Ziegelmauerwerk

Vor der Wiedereröffnung des Berggruen-Museums am Freitag: ein Besuch bei den Architekten Kuehn Malvezzi, die den Erweiterungsbau gestaltet und in Berlin auch die Rieckhallen am Hamburger Bahnhof geplant haben.

Architekten, so heißt es, kennen nur Schwarz und Weiß. Selten, dass ein Büro einmal farbig daherkommt. Zumindest diesem Klischee entspricht das Büro Kuehn Malvezzi, das mit seinen knapp 30 Mitarbeitern im Niemandsland der Moabiter Heidestraße zu Hause ist. Vom glänzend weißen Tisch des Besprechungszimmers aus, an dem sich Wilfried Kuehn stellvertretend für das Trio der Gebrüder Wilfried und Johannes Kuehn sowie Simona Malvezzi niedergelassen haben, um die Philosophie des Büros zu erläutern, fällt der Blick auf die weite Brache des ehemaligen Containerbahnhofs. Wundervoll leuchtet das Blau des heraufziehenden Abends und kontrastiert mit dem weißen Interieur. Das muss Farbe genug sein.

In ihren Entwürfen kommt Farbe durchaus vor. Mit kräftigem Rot in Braunschweig und dem gelbschwarzen Buchstaben-„Schachbrett“ vorm Eingang zur Berlinischen Galerie hat das 2001 gegründete Architekturbüro früh Furore gemacht. An rund 20 Wettbewerben pro Jahr nehmen sie seitdem teil, bei mindestens der Hälfte landen sie unter den Preisträgern. „Wir rechnen auch so“, beantwortet der 44-jährige Wilfried Kuehn lakonisch die Frage nach dem Verhältnis von Aufwand und (ökonomischem) Ertrag.

Am Freitag nun wird wieder Eröffnung gefeiert, der Erweiterungsbau zum Museum Berggruen in Charlottenburg wird dann der Öffentlichkeit übergeben. Der Entwurf von 2008 wurde sogleich für seine Zurückhaltung gegenüber den historischen Bauten gerühmt, dem Stülerbau in der Schlossstraße und dem Kommandantenhaus um die Ecke. Es ist eine besondere Art der Zurückhaltung, die den Arbeiten des Trios eigen ist. Eine, die durchaus spektakulär auftreten kann wie bei ihrem radikalen Gegenentwurf zur Schlossrekonstruktion für das Humboldtforum, bei dem die historischen Fassaden zugunsten bloßen Ziegelmauerwerks weggelassen worden waren. Es ist, könnte man sagen, eine Zurückhaltung, die sich aus Respekt gegenüber dem Vorgefundenen speist, dem Ort wie den vorhandenen Bauten. Kuehn Malvezzi bekennen sich zur „Weiterentwicklung von Geschichte“. Nicht zum Kopieren des Vergangenen – das wäre Historismus –, sondern zu etwas, das Wilfried Kuehn mit dem Wort „re-enactment“ umschreibt, zur „Wiederaufführung“. Das kann einen Ortswechsel einschließen oder eine Neuinterpretation. „Uns interessiert der Prozess zwischen dem früheren Ereignis und dem heutigen Ereignis“, sagt Wilfried Kühn und verweist auf den Renaissancebaumeister Andrea Palladio, der die römische Antike „völlig neu zusammengebaut“ habe.

Auf dem weißen Endlostisch liegen drei Bücher zur Arbeit von Kuehn Malvezzi. Eines, weiß mit schwarzer Schrift, zeigt Fotos, die Candida Höfer von den Projekten des Büros aufgenommen hat. Der kühlen Kölnerin haben Kuehn Malvezzi das Haus umgebaut, ebenso wie ein weiteres Haus für die Candida-Höfer-Stiftung. Im Bürotrakt in der Heidestraße hängen diverse Höfer-Fotos, streng, sachlich, präzise. Eine Wahlverwandtschaft.

Dabei sind die Bauvorhaben höchst unterschiedlich. In Berlin wurde unlängst das Projekt eines Bet- und Lehrhauses auf dem Petriplatz in Mitte vorgestellt, diesem jahrzehntelang verschwundenen Platz längs der Gertraudenstraße. Das Bethaus, getragen von einem Verein, will den drei monotheistischen Religionen kirchliche Räume bieten, in der Mitte aber einen „Zwischenraum zwischen den Religionen“. Errichtet werden soll das Gebäude in massivem Ziegelmauerwerk, einer längst zugunsten von Stahlbeton vergessenen traditionellen Technik. Einen Meter dick werden die Mauern, die auf den Fundamenten der einstigen Petrikirche ruhen. Das Bethaus bezeichnet Kuehn als Monumentalbau. Monumental jedoch nicht im Sinne der Überwältigung, sondern der Erinnerung. Als Zeuge wird Adolf Loos aufgerufen, der in seinem Wienerischen Radikalismus die Architektur aus der Riege der Künste ausschloss. „Nur ein ganz kleiner Teil der Architektur gehört der Kunst an: das Grabmal und das Denkmal“, dekretierte Loos 1921.

So weit würde der in der Geschichte der Architektur und ihrer Theorien bewanderte Wilfried Kuehn nicht gehen. Doch ist das Monumentale den „intellektuellen Entwürfen“ wie dem Bethaus oder dem Schloss-Gegenvorschlag eingeschrieben. Da macht sich der italienische Einfluss bemerkbar: Kuehn studierte in Mailand. Eng ist das Monumentale mit der Vorstellung des öffentlichen Ortes verbunden, der in den Entwürfen des Büros immer wiederkehrt. Auch der bislang ungebaute Entwurf eines Hochhauses an der Jannowitzbrücke, eines raffiniert in sich versetzten Baukörpers, gilt seinen Autoren eher als Monument am Eingang in das innere Berlin denn als bloßes Bürogebäude.

Aus dem Monumentalen, das mit dem Musealen in Verwandtschaft steht, leitet sich vielleicht auch die Vorliebe für Arbeiten an und in Museen her. Der Umbau der Rieckhallen neben dem Hamburger Bahnhof für die Sammlung Flick sorgte 2004 für internationale Aufmerksamkeit. Umbauten am Belvedere in Wien und im Liebieghaus in Frankfurt kamen hinzu, schließlich der Auftrag zur Belebung des Berliner Kunstgewerbemuseums; dazu etliche Ausstellungsgestaltungen.

Eine Zeitschrift hatte einmal die invisible architecture des Büros gerühmt. Halt! Unsichtbar ist die Architektur von Kuehn Malvezzi nicht. Sie ist umso sichtbarer, als sie sich zwar nicht in den Vordergrund schiebt, aber brennend anwesend ist. Bernhard Schulz

Bernhard Schulz

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