Interview Fanny Ardant: „Die Liebe braucht Vitamine“
Fanny Ardant spielt in der coolen Romanze "Die schönen Tage" eine soeben in Rente gegangene Zahnärztin, die sich einen jungen Lover nimmt. Ein Gespräch mit der französischen Kino-Ikone über Cleverness, Attraktivität – und die Gesetze einer langen Liebe.
In „Die schönen Tage“ spielen Sie die Rentnerin Caroline, die eine Affäre mit einem deutlich jüngeren Mann anfängt. Eine Rolle extra wie für Sie.
Ich habe mich sehr schnell in diese vitale Figur verliebt. Ein Drehbuch zu lesen ist ja, als würde man einen Wald durchqueren – und diese Geschichte hat mir an jeder Weggabelung neue Facetten offenbart. Besonders gefällt mir, wie die Beziehung zwischen Caroline und ihrem Mann erzählt wird.
Sie betrügt ihn und ist offenbar gleichzeitig sehr loyal. Wie geht das?
Das Paar ist auf spezielle, elegante Weise miteinander verbunden. Sie führen keine tote Beziehung. Es ist vielleicht nicht mehr die große Leidenschaft, aber das Paar ist intelligent genug zu akzeptieren, dass das in der Liebe manchmal so ist.
In Fanny Chesnels Romanvorlage sucht der junge Computerlehrer Julien nach dem Tod der eigenen Mutter eine Ersatzmutter.
Im Film ist Julien sexsüchtig. Er liebt alle Frauen, ob jung, alt, blond, brünett, weiß oder schwarz. Das gibt dem Verhältnis eine ganz andere Richtung, die letztendlich alles einfacher macht. Julien und Caroline lieben einander, wie sie Wein und gutes Essen lieben. Natürlich wird Caroline in ihrer Würde verletzt, wenn sie sich mit einer jüngeren Frau in Juliens Apartment die Klinke in die Hand gibt. Andererseits bestimmt sie im Bett die Regeln und kann mit Julien entspannt über Sex reden. Beide wissen ja, die Sache geht nicht ewig.
Wie sehen Sie Untreue – als Bedrohung? Oder kann sie eine Ehe auch auffrischen?
Eine Liebesbeziehung ist wie ein Meisterstück, an dem man arbeiten muss. Das hat nichts mit der romantischen Welt von „Romeo und Julia“ zu tun – die beiden haben früh geliebt und sind früh gestorben. Eine lange, große Liebe braucht immer wieder Vitamine und eine gewisse Cleverness im Umgang miteinander.
Und die Sicherheit, die sie gibt?
Unsere Gesellschaft hält sich zu sehr am traditionellen Familienbild und der Moral des 19. Jahrhunderts fest. Die Liebe bleibt oft auf der Strecke. Im alten Rom konnte eine Frau, nachdem sie ihrem Ehemann ein Kind geboren hat, sich mit so vielen Männern vergnügen, wie sie wollte. Sie hatte ihre Pflicht getan und war frei. Wir aber fühlen uns verpflichtet, brav auf unserem Platz zu bleiben und keinen Unsinn anzustellen. Dabei sollte doch jeder Mensch und jedes Paar den Regeln folgen, die zu ihm passen.
Ist Älterwerden für Frauen schwieriger als für Männer?
Das Leben kann sehr grausam zu Frauen sein, wenn sie ihre körperliche Attraktivität verlieren. Bei Männern kommt das zwar sehr viel später, aber dann mit ähnlicher Härte, wenn die Virilität nachlässt. Und wenn Männer ihre Beschützerfunktion nicht mehr erfüllen können, werden die Karten ohnehin noch einmal neu gemischt.
Im amerikanischen Kino werden ältere Schauspielerinnen ziemlich erbarmungslos vom Markt gedrängt. Jeanne Moreau oder Catherine Deneuve dagegen starten im Alter noch einmal richtig durch. Warum ist Frankreich so viel netter zu seinen weiblichen Ikonen?
Erklären kann ich Ihnen das nicht. Aber es stimmt. In Hollywood konnte eigentlich nur Meryl Streep eine lebenslange Karriere aufbauen und darf auch jetzt noch Hauptrollen spielen. Bei uns haben Frauen eine viel stärkere Position. Schon die Romanciers haben die männlichen Protagonisten oft erst durch die weiblichen Figuren zum Leuchten gebracht. Und die großen Filmemacher haben sich immer für vielschichtige Frauencharaktere interessiert, von Alain Resnais bis Eric Rohmer.
Das Gespräch führte Martin Schwickert.
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