Ingrid Caven zum 80.: Die letzte deutsche Diva
Die großartige Schauspielerin und Chansonsängerin Ingrid Caven feiert an diesem Freitag ihren 80. Geburtstag. Eine Gratulation.
Dieses feine, kolibrihafte Flattern in der Stimme: Ingrid Caven war schon immer eine Schauspielerin und Diseuse, ach was, eine Diva, bei der die Membran zwischen Kunst und Leben besonders durchlässig ist. Das Vibrato als Daseinsform. „Heute Abend gehe ich als Ingrid Caven“, hat sie einmal gesagt. Und dass die Form alles ist. Von Anfang an kreierte sie sich selbst, eine Kunstfigur mit kapriziösen Posen, leicht exaltierter Gestik und dem präzise dosierten Überschwang ihres zwischen Sopran und Alt changierenden Gesangs. Und doch sind ihre Figuren, ihre Auftritte immer restbodenständig.
Von wegen Muse, von wegen Fassbinder, Daniel Schmid, Werner Schroeter und einige mehr. Ingrid Caven, 1938 als Tochter eines Saarbrücker Tabakwarenhändlers in eine musische Familie geboren – die Sängerin Trudeliese Schmidt war ihre Schwester – ist nie ein Männergeschöpf gewesen. Fassbinder, der bekennende Schwule, hat sie 1970 geheiratet, er wollte ein Kind von ihr. Nach der Scheidung zwei Jahre später blieben sie enge Freunde, bis zu seinem Tod. Neben der Leiche lag ein Zettel „Das Leben der Caven in 18 Szenen“. Wenige Stunden zuvor hatte sie ihn aus Paris anzurufen versucht, wo sie inzwischen als Chansonnière auftrat.
Die Franzosen nannten sie die neue Marlene Dietrich. Aber das passt nicht, denn Caven macht kein Geheimnis um sich. Auch nicht um ihre von Yves Saint Laurent geschneiderte Satinrobe, ihre Allergien, ihre Lust auf das erotische Spiel mit dem Kleid. Sie singt Piaf-Lieder, das Seemannslied „Die großen weißen Vögel“, vor allem Songs von Peer Raben.
Caven übte scharfe Kritik an Juliane Lorenz, Chefin der Fassbinder Foundation
Auch mit dem Fassbinder-Komponisten war sie zeitlebens befreundet, auch ihn hat sie gegen Juliane Lorenz, die Chefin der Fassbinder Foundation, energisch verteidigt. Weil Lorenz fast alle engen Fassbinder-Mitarbeiter aus dem Fassbinder-Erbe ausschließe, mit Verfälschungen und Halbwahrheiten. Vorwürfe, die sich nachweisen ließen. Bis heute steht Ingrid Fassbinder im Pass von Caven.
Die Nachtclubsängerin in Daniel Schmids Melodram „La Paloma“ war 1974 in Cannes ein Höhepunkt ihrer Leinwandkarriere, neben Fassbinder-Rollen in „Satansbraten“, „Händler der vier Jahreszeiten“ oder „In einem Jahr mit 13 Monden“. Dann ging sie nach Paris, und die Stadt lag ihr zu Füßen. In Berlin trat sie zuletzt im Februar mit Helmut Berger in „Liberté“ an der Volksbühne auf. Unter Regie des katalanischen Minimalisten Albert Serra spielte sie eine französische Duchesse, die den Deutschen die Libertinage nahebringt. Auch das Recht auf die eigene Façon, die 68er Jahre, die sexuelle Befreiung, all das moduliert ihre Stimme. Den französischen Brief gegen falschen, lustfeindlichen MeToo-Rigorismus hat sie mit unterschrieben.
Eine Romanfigur, die das Leben erfunden hat. Ihr Partner Jean-Jacques Schuhl schrieb diesen Roman, „Ingrid Caven“, im Jahr 2000 – und gewann damit den Prix Goncourt. An diesem Freitag feiert Ingrid Caven, die zierliche Frau mit der großen Aura, ihren 80. Geburtstag.
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