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Kultur: Die Lebenslust und nichts anderes

In Frankreich fast schon ein Jahrhundert-Hit: die Komödie „Ziemlich beste Freunde“.

„Nimm dich in Acht, solche Leute kennen kein Mitleid“, warnt ein Freund den schwerreichen Aristokraten Philippe (François Cluzet). Dabei ist es doch genau das, was Philippe am vorbestraften Senegalesen Driss (Omar Sy) so schätzt. Der Querschnittsgelähmte hat das Mitleid satt, mit dem die Leute ihm begegnen, und er kann die Betroffenheit seiner Pfleger nicht mehr ertragen. Warum sollte auch für Menschen, die beruflich Behinderte pflegen, nicht gelten, was für Türsteher, Flugbegleiterinnen und etliche andere Professionen gilt? Dass es einen bestimmten Menschenschlag zu einer bestimmten Tätigkeit hinzieht? Wer nun, wie Philippe, rund um die Uhr auf die Hilfe von Pflegern angewiesen ist, aber der Menschen überdrüssig ist, die diese Aufgabe ausüben, der hat ein Problem. Und Driss ist die Lösung.

Zunächst aber ist Philippe die Lösung für Driss. Um Sozialhilfe zu beziehen, muss Driss bescheinigen, dass er sich erfolglos um Arbeit bemüht hat. Also spricht er für eine Stelle vor, für die er offensichtlich ungeeignet ist, und zeigt sich deshalb im Vorstellungsgespräch von seiner unverschämtesten Seite, baggert Philippes Sekretärin an und lässt nebenbei auch noch ein Fabergé-Ei mitgehen. Philippe ist von diesem respektlosen Auftritt beeindruckt und stellt Driss für einen Probemonat ein.

Was dann passiert, ist so formelhaft und konstruiert, wie es sich nur ein Film erlauben darf, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Driss weckt Philippes Lebensgeister, macht ihn mit weichen Drogen bekannt und führt ihm die Lächerlichkeit seines elitären Umfelds vor Augen. Er lässt den praktischen Minivan stehen und küsst stattdessen Philippes schwarzen Maserati aus dem Dornröschenschlaf. Philippe vermittelt Driss im Gegenzug manche Sekundärtugend, öffnet ihm die Augen für die Schönheit der Kunst und inspiriert ihn sogar dazu, selbst einen Pinsel in die Hand zu nehmen. Das Ergebnis verkauft Philippe für 11 000 Euro just an den Freund, der ihn so eindringlich vor Driss gewarnt hatte.

Eine solche Geschichte, die Schwarz und Weiß, Arm und Reich, Banlieue und Palais versöhnt, in der ein Aristokrat einem sozial Benachteiligten zu Anerkennung und ein viriler junger Mann einem Gelähmten zur Lebensfreude verhilft, ist ein höchst dankbarer Stoff für eine Wohlfühl-Komödie. Mehr als einmal schießen die Regisseure Eric Toledano und Olivier Nakache dabei mit Vergnügen übers Ziel hinaus und lassen jegliche Plausibilität fahren – schließlich geht es darum, aus der unwahrscheinlichen Freundschaft noch den letzten kuriosen Kontrast herauszukitzeln. Schamlos trimmen sie die Geschichte auf Publikumsbefriedigung, und alles geschieht zum maximalen Effekt. Der Film ist bis zum Schluss völlig durchschaubar und lässt nichts Vages, Geheimnisvolles, Merkwürdiges zurück.

Trotzdem – oder gerade deswegen – verwundert es nicht, dass „Intouchables“, so der Originaltitel, in Frankreich nicht nur zum Kinohit des vergangenen Jahres avancierte, sondern mit sagenhaften 17 Millionen Zuschauern dort bereits auf Platz fünf der Top-Hits aller Zeiten steht. Der Film ist handwerklich perfekt produziert, die vorzüglichen Hauptdarsteller harmonieren prächtig, das Timing in den komischen wie in den ernsten Szenen stimmt, und die Formel, die sich früh abzeichnet, wird so originell wie liebevoll mit Leben gefüllt. Vorhersehbar ist „Ziemlich beste Freunde“, aber keineswegs langweilig. Und: Das oft zutreffende Werturteil „gut gemeint heißt schlecht gemacht“ – hier geht es fehl.

In 13 Berliner Kinos; OmU im Cinema Paris, Kino in den Hackeschen Höfen und im International

David Assmann

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