Blur beim Berlin Festival: Die Guten und die Könige
Was für ein großartiges Popkonzert! Am ersten Tag des Berlin Festivals konnten Blur mit ihrem Auftritt überzeugen. Hören lassen konnten sich auch die Pet Shop Boys - mit einem farbenfrohen, wenn auch technisch leicht verrutschten Konzert.
In der Regel gibt es nichts Schlimmeres als Auftritte von Bands, die sich des Geldes wegen wiederzusammenfinden und es dann nicht einmal für nötig befinden, ein paar neue Songs einzuspielen; im besten Fall dienen diese Auftritte auf Publikumsseite dem Suchen und womöglich auch Wiederfinden der verlorenen Zeit. Eine absolute Ausnahme von dieser Regel stellt am ersten Tag des Berlin Festivals der Auftritt von Blur dar: Was für ein großartiges Popkonzert! Was für tolle Songs hat Damon Albarn mit seiner Band im Blur-Repertoire! Wie frisch und heutig klingen die alle immer noch! Und wer waren noch einmal Oasis? Oder Pulp?
Gerade im Fall von Albarn hatte man sich gefragt, warum der sich nach der Wiederaufnahme seiner freundschaftlichen Beziehung zu dem Blur-Gitarristen Graham Coxon noch eine Blur-Reunion antut: Mit den mitunter brillanten Gorillaz und den sehr guten, vorsichtig der Weltmusik zugewandten Bandprojekten The Good, The Bad and The Queen und Rocket Juice & Moon hatte Damon Albarn bewiesen, dass es ein Leben nach einer ersten Bandkarriere gibt, ein musikalisch erfolgreiches wie künstlerisch ambitioniertes. Die alten Bande sind womöglich stärker, vielleicht auch der Glaube an die Klasse von Blur, der zwar noch immer nicht zu einem neuen Album, aber wenigstens zwei Singles geführt hat.
"Song 2" ist natürlich wieder viel zu kurz
Aber neue Stücke vermisst man während dieses Konzerts wirklich nicht, auch weil der jugendlich wirkende, Jeans-Kluft tragende Albarn und seine Mannen zusammen mit einem vierköpfigen Chor (den man allerdings kaum hört) und einer dreiköpfigen Bläsersektion hochmotiviert, engagiert und voller Freude die alten Hits spielen, von „Girls and Boys“ zu Beginn über „Beetlebum“, „Coffee and TV“ und „Parklife“ bis hin zum Schlussstück, na klar, soviel Dramaturgie muss sein, dem Fußballgassenhauer „Song 2“. Blur spielen übrigens mindestens sechs Stücke von ihren letzten beiden Alben „13“ und „Think Thank“. Vermutlich glauben Albarn und Coxon, dass Blur erst zu Blur wurden, als der Britpop das Zeitliche gesegnet hatte. Geradezu programmatisch dehnt Albarn dann den „13“-Hit „Coffee and TV“ in die Länge und singt immer wieder die Zeile „We can start over again“. Wirklich verheißungsvoll klingt zwar das neue Stück „Under The Westway“, das Blur mit Albarn am Klavier im Zugabenblock spielen, nicht – aber wie kann es das auch, wenn knapp zehntausend Menschen auf nichts anderes warten als auf „Song 2“, der natürlich wieder viel zu kurz ist. Aber da kennen Blur keine Gnade.
Und sonst? Ein ebenfalls fulminanter Auftritt von Mike Pattons Avantrock-Allstar Band Tomahawak (Die älteren erinnern sich: der Mann von Faith No More, mit Musikern von Helmet, Jesus Lizard, den Melvins). Rock, und zwar guter, kaputter! Erlösung! Befreiung! Die Show der Pet Shops Boys, die vor dem Auftritt von Blur auf der großen Bühne stattfand, war ebenfalls nicht schlecht – nur machte die Show hier tatsächlich die Musik. Alles so schön bunt, bewegt und maskiert hier! Auffallend war, wie schnell und athletisch die alten Hits der Pet Shop Boys klangen. Als hätten ihnen Neil Tennant und Chris Lowe ein supermodernes House- und superfeines Drum&Bass-Gewand verpasst. Mit der Technik haperte es allerdings – da blieb so manche Nadel in der Rille hängen, stolperte sich so manche CD durch den Player, um es noch einmal analog zu sagen. Ach, die guten alten Popzeiten!
Gerrit Bartels
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