Gert Fröbe zum 100.: Die Gier gehört zu mir
Das Gesicht des Wirtschaftswunders: Zum 100. Geburtstag von Gert Fröbe erscheinen gleich zwei neue Biografien.
Der Mann hat gegen so ziemlich jede Regel verstoßen, die man befolgen sollte, um ein internationaler Star zu werden. Er war weder schön noch markant hässlich, er sah einfach nur komisch aus. Seine Figur ließ zu wünschen übrig, zuerst war er zu dünn, später zu dick. Er war nicht einmal ein überragender Schauspieler und ehrgeizig schon gar nicht. Trotzdem gehört Gert Fröbe zu den wenigen deutschen Weltstars. Seinen Platz in der Filmgeschichte erwarb er sich als Gegenspieler von James Bond in „Goldfinger“ (1964), für den ursprünglich Orson Welles vorgesehen war. Doch der hatte eine zu hohe Gage, deshalb traten die Produzenten an Fröbe heran. Er verlieh dem Schurken ein eigenes Profil: nämlich ein hässlicher Deutscher zu sein und zugleich die Parodie darauf.
Fröbe kam vom Kabarett, nicht vom Staatstheater, das erklärt seine originelle Interpretation. Gleich im Anschluss wurde er für eine weitere britische Großproduktion verpflichtet: „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ (1965), als Oberst von Holstein, der 1910 an einem Flugzeugwettstreit teilnimmt. Eine Biografie war überfällig, und zu Fröbes 100. Geburtstag am heutigen Montag liegen mit „Jedermanns Lieblingsschurke“ (Rotbuchverlag, Berlin, 256 Seiten, 19,95 €) und Beate Strobels „Gert Fröbe – Vom Stehgeiger zum Goldfinger“ (Braumüller Verlag, Wien, 192 Seiten, 22,90 €) gleich zwei vor.
Michael Strauven hat einen riskanten Einstieg gewählt. Er listet seine eigenen Erfolge auf, die Einschaltquoten für die TV-Reihe „Legenden“ und die damit verbundenen Auszeichnungen. Und er glaubt an den Erfolg des Buches, da sein 2010 ausgestrahltes Porträt über den Schauspieler exzellente Quoten gehabt habe – Fröbe sei keineswegs vergessen.
Der Durchbruch als Otto Normalverbraucher in der Zeitsatire „Berliner Ballade“ (1948) war, wie Strauven betont, nur ein Erfolg bei der Kritik. Das breite Publikum wollte den Film nicht sehen und der Hauptdarsteller musste sich wieder mit Nebenrollen begnügen. Damals wog Fröbe bei einer Größe von 185 Zentimetern nur 58 kg – ein zweiter Karl Valentin mit derselben geringen Lebenserwartung. 1954 gab es endlich ein reizvolles Angebot: Jules Dassin wollte Fröbe für seinen Safeknacker-Thriller „Rififi“ haben. Doch Fröbe wog inzwischen 135 Kilo, und mit dem Umfang konnte er nicht durch das kleine Loch in der Decke kriechen. Wenigstens hatte er jetzt ein neues Image. Er war das Gesicht des Wirtschaftswunders.
Fröbe stand für die Gier, er war abonniert auf die Darstellung von lüsternen Geschäftsmännern. In „Das Mädchen Rosemarie“ (1958) und „Menschen im Hotel“ (1959) bezahlte er jüngere Frauen für Sex. Nebenbei überzeugte er als Biedermann, der kleine Mädchen missbraucht, in „Es geschah am hellichten Tag“ (1958) und als liebenswerter Catcher, der Heinz Rühmann in die Kampfsportkunst einweist, in der Komödie „Der Pauker“ (1958).
Was die darstellerischen Mittel angeht, war er nicht sonderlich vielseitig, und an seine Grenzen wollte er nie gehen. Von ihm gab es keinen Falstaff, keinen Mephisto, keinen König Lear. Aber er war vielseitig einsetzbar und arbeitete mit Regielegenden wie Luchino Visconti, Claude Chabrol und Ingmar Bergman. Gibt es keine Enthüllungen? Fröbe war fünfmal verheiratet, seine dritte Frau war Filmkritikerin und seine vierte starb 38-jährig an Magenkrebs. Seine Kinder können nicht von ihm gezeugt worden sein, da er unfruchtbar war. Und sein Vater war Alkoholiker.
Und die Sache mit der Nazi-Vergangenheit? Fröbe war von 1934 bis 1937 in der NSDAP. Andererseits hat er während des Krieges eine Jüdin und ihren Sohn bei sich versteckt. Es ehrt Strauven, dass er die spärlichen Fakten nicht weiter ausschmückt. Warum Fröbe in die Partei eingetreten ist und wie er die Jüdin und ihren Sohn kennengelernt hat, das wird man wohl nie erfahren.
Die Geretteten wurden selbst Retter und stellten Fröbe ein positives Charakterzeugnis aus, nachdem er 1965 gegenüber einem britischen Journalisten erklärt hatte: „Natürlich war ich Nazi.“ Strauven verweist in diesem Kontext auf einen heuchlerischen Aspekt: Wenn Deutsche bestreiten, Nazis gewesen zu sein, gelten sie als Lügner. Und wenn sie es zugeben, gelten sie als unverschämt.
Strauven schreibt prononciert populär, seine Kapitel tragen Überschriften wie „Ein feuchter Furz und die Völkerfreundschaft“ oder „Alte Triebe – neue Liebe“. Wir erfahren, welche Möbel sich Fröbe angeschafft, was er in Drehpausen gegessen und dass seine Frau die Vorhänge selbst genäht hat. Doch Strauven verachtet zugleich die populäre Kinokultur der Adenauer-Ära und fällt bitterböse Urteile. Dabei sind zu jener Zeit anregende Projekte diskutiert worden.
Artur Brauner wollte 1961 die „Nibelungen“ mit Romy Schneider als Kriemhild, Barbara Rütting als Brunhild und Fröbe als Hagen auf die Leinwand bringen. Es fand sich leider kein Siegfried. Obwohl Brauner das Projekt 1966 mit dem Hammerwerfer Uwe Beyer realisiert hat, dachte er 1987 an eine neue Version – mit Boris Becker als Siegfried! Noch ist es nicht zu spät.
Im Anhang präsentiert Strauven eine ungewöhnliche Filmografie. Alle Filme werden nach „TV-Spielfilm“-Kriterien bewertet. Der Heimatfilm „Und ewig singen die Wälder“ (1959) gefällt Strauven nicht, ist aber „Für Fans ein Muss. Sehenswert!“ Er findet Wolfgang Staudtes „Dreigroschenoper“ (1963) misslungen, zugleich aber wegen Fröbes Auftritt „Sehenswert“. Kopfzerbrechen bereitet ihm die Rezeption von Fritz Langs „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ (1960): „Kritiker in Frankreich erkennen darin hohe Kunst. Ich nicht.“ Die Kritiker aus Frankreich werden ohnehin mit Nichtachtung gestraft, er verwendet auch keine Fußnoten. Im Literaturverzeichnis nennt er genau zehn Bücher. Man hat nach der Lektüre trotzdem das Gefühl, alles über Gert Fröbe zu wissen, was zu ermitteln war.
Buchpräsentation mit Michael Strauven am 1. März um 19.30 Uhr im Babylon Mitte; ab 21.30 Uhr „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“.
Frank Noack
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