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Mit Bogen in Führung. Die Ungdomssymfonikerne im Konzerthaus.
© mutesouvenir/Kai Bienert

Young Euro Classic 2015: Die Fülle des Tons

Die norwegischen Ungdomssymfonikerne bei Young Euro Classic.

Norwegen, du hast es besser! Zum Beispiel hat man dort, wie Tagesspiegel- Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff als Pate dieses Young-Euro-Classic-Konzerts anmerkt, inzwischen eine Frauenquote von 40 Prozent in den Aufsichtsräten durchgesetzt. 40 Prozent Frauen in der Stimmführung, sozusagen dem Aufsichtsratsvorsitz der Instrumentengruppen, das dürfte auch beim norwegischen Jugendorchester Ungdomssymfonikerne ungefähr hinkommen. An der nach wie vor niedrigen Quote von Komponistinnen und Dirigentinnen im Klassikbetrieb ändert allerdings auch dieser Abend im Konzerthaus am Gendarmenmarkt nichts.

Unter der kompetenten Leitung von Eivind Aadland stehen Werke von Jean Sibelius und Gustav Mahler auf dem Programm. Zum Auftakt erklingt Knut Vaages unterhaltsame und mit aparten Klangwirkungen beeindruckende Orchesterstudie „Chatter“ von 2005. Henning Kraggerud interpretiert Sibelius’ berühmtes Violinkonzert mit ungeheuer voluminösem Ton, bei dem sehr schnellen Tempo im kompositorisch fragwürdigen letzten Satz zeigt der norwegische Virtuose Mut zum Risiko. Dass dem Musiker bei unverkennbar hohem spieltechnischen Niveau so viele Passagen unsauber geraten, überrascht allerdings.

Auch beim Orchester bleibt an diesem Abend die Intonation stellenweise problematisch, etwa in der berüchtigt heiklen Einleitung des ersten Satzes von Mahlers Erster Symphonie. Man könnte sich auch fragen, ob es zu diesen Anlässen unbedingt immer die absoluten Renner des Repertoires sein müssen, bei denen die spezifischen Fähigkeiten von Jugendensembles nur bedingt zum Tragen kommen.

Gleichzeitig ist Aadland allerdings ein souveräner und origineller Mahler-Dirigent, wie sich bereits im Scherzo zeigt. Und die von dem Dirigenten meisterhaft disponierten endlosen lyrischen Phrasen im Finale werden von den Streichern wunderbar differenziert und flexibel artikuliert. Das Orchester, das zu den Stammgästen des sommerlichen Berliner Festivals gehört, verfügt auch in den Holz- und Blechbläsergruppen über große Talente. Für den Publikumsjubel im ausverkauften Konzerthaus bedanken sich die Musiker mit zwei Zugaben aus Griegs „Peer Gynt“-Suiten.

Benedikt von Bernstorff

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