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Glück und Glas. Vase von Anzolo Fuga für A.Ve.M (1950–52).
© Martin Adam/Bröhan-Museum

Venezianische Glaskunst im Bröhan-Museum: Die Farben der Lagune

Aus der Glut geboren: Das Bröhan-Museum zeigt filigrane Meisterwerke der venezianischen Glaskunst.

Sie benötigen eine ruhige Hand, ein scharfes Auge und Mut beim Umgang mit der glühenden Materie. Bis zu 25 Jahre dauert die Lehrzeit, ehe sich ein venezianischer Glasbläser „Meister“ nennen darf. Im Bröhan-Museum ist jetzt die Vielfalt der Techniken zu bewundern, die auf Murano entwickelt und verfeinert wurden. Die Objekte stammen aus der Sammlung von Lutz H. Holz. In rund zehn Jahren hat der Berliner Manager aus der Pharmaindustrie über 1000 Beispiele italienischer Glaskunst des 20. Jahrhunderts gekauft. Rund 220 Gefäße stehen im Bröhan-Museum. Ein zweiter Teil der Sammlung ist gleichzeitig in der Münchner Pinakothek der Moderne zu sehen.

Schon im 13. Jahrhundert lagerte Venedig die Glasproduktion auf die Insel im Norden der Lagune aus. Zum einen sollte die Handwerkskunst vor Spionen geschützt, zum anderen die Brandgefahr für die Stadt vermindert werden. Manche der ursprünglichen Verarbeitungsformen wurden schon vor der Erfindung der Glasbläserpfeife im 1. Jahrhundert nach Christus angewandt. Ende des 19. Jahrhunderts belebten diese venezianischen Manufakturen die alten Techniken wieder und feilten sie aus.

Die sogenannte Incalmo-Technik erfordert höchste Konzentration

Das um die Jahrhundertwende besonders beliebte Murrinenglas gab es schon in der Renaissance. Dafür werden zunächst bunte Glasstäbe zu vielfarbigen Strängen gebündelt, in Scheiben geschnitten, auf einem Blech ausgelegt und zusammengeschmolzen. Das geschmeidige Material kann dann wie über einem Tonkern geformt werden. Auf diese Weise entstehen entweder verspielte Muster oder – wenn die Murrinen lichtdurchlässig sind – eine mirakulöse Farbigkeit, die an Kirchenfenster erinnert.

Vase „Stellato“ von Ermanno Toso (1950-55).
Vase „Stellato“ von Ermanno Toso (1950-55).
© Martin Adam/Bröhan-Museum

Noch feiner gelingen die Ornamente, wenn dünne Glasstäbe Streifen oder Netzstrukturen auf der Oberfläche erzeugen. Am modernsten aber wirken die Objekte aus den 50er und 60er Jahren, die mittels der Incalmo-Technik hergestellt wurden. Dafür arbeiten zwei Glasbläser parallel an jeweils einer farbigen Gefäßhälfte und setzen die beiden Stücke dann frisch aus dem Ofen freihändig zusammen.

Incalmo erfordert höchste Nervenstärke und Konzentration, damit keine Naht entsteht. In der Ausstellung erläutert ein Film den Produktionsprozess. Wie Köche und Bäcker haben auch die Glasbläser berufsbedingt Verbrennungen an den Händen.

Die Massenproduktion von Glaskitsch kommt inzwischen aus China

Die meisten Stücke in der Ausstellung stammen aus der Blütezeit der modernen venezianischen Glaskunst. In den 50er und 60er Jahren waren die Objekte bei der Biennale von Venedig zu sehen. Die Künstler der amerikanischen Studioglasbewegung pilgerten nach Murano, um von den Italienern zu lernen. Meister aus Murano wie Lino Tagliapietra arbeiten bis heute in den USA, wo es die meisten Glassammler gibt. Auf Murano engagierten Manufakturen wie die Fratelli Toso oder Venini zeitgenössische Designer, um die Formen zu modernisieren.

Viele Öfen auf Murano sind erkaltet, die Massenproduktion von Glaskitsch kommt aus China. Aber es gibt auch eine kleine Renaissance der Glaskunst in Venedig. Die Fondazione Cini hat die Stanze del Vetro eingerichtet, einen noblen Ort der Forschung und Präsentation. Das Glasmuseum von Murano kümmert sich gleichermaßen um Tradition wie Zeitgenössisches. International wächst der Markt für Murano-Schätze.

Bröhan-Museum, bis 23. Oktober, Schloßstraße 1a, Charlottenburg, täglich außer montags 10–18 Uhr.

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