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Der so genannte Nord-Tempel in Tell el-Amarna, wie er sich heute dem Besucher zeigt.
© Katharina Eglau

Tell el-Amarna heute: Die Erben von Echnaton und Nofretete

In der Stadt Minia ruhen seit zwei Jahren die Bauarbeiten des neuen Amarna-Museums – nun sollen die Deutschen das Glanzstück vollenden. Ein besuch in Tell el-Amarna und Umgebung

Der Zauber der Vergangenheit lässt sich noch erahnen, auch wenn von dem einstigen Stadtbild nur eine hellbraune Sandebene geblieben ist. Einst zogen sich hier Kanäle und Prachtstraßen, standen Tempel und Paläste sowie Werkstätten, deren Kunst bis heute Weltruhm besitzt. Abgesehen von spärlichen Resten aus Grundmauern hat von dem pharaonischen Achet-Aton kaum etwas die mehr als drei Jahrtausende überlebt. Und trotzdem beflügelt diese historisch einzigartige, nur wenige Jahrzehnte existierende Hauptstadt Ägyptens unter Pharao Echnaton und seiner Frau Nofretete bis heute die Fantasie von Forschern und Besuchern. 40 Kilometer südlich der Stadt Minia gelegen, finden derzeit allerdings nur wenige Touristen den Weg nach Tell el–Amarna. Seit den islamistischen Anschlägen in den neunziger Jahren machen die meisten einen großen Bogen um Mittelägypten, lassen sich von Kairo direkt nach Luxor oder Assuan fliegen, obwohl der mittlere Abschnitt des Niltals ebenfalls überreich mit Kulturgütern gesegnet ist.

Zu den künftigen Touristenattraktionen könnte bald auch das Amarna-Museum gehören, dessen Rohbau in Minia auf einem prächtigen 10-Hektar-Gelände direkt am Nilufer steht. Vor 15 Jahren aus der Taufe gehoben als gemeinsames Projekt der ägyptischen Antikenverwaltung (SCA) und des Roemer- und Pelizaeus-Museums von Hildesheim, hatte der langjährige Antikenchef Zahi Hawass die Eröffnung erst für 2008, dann für 2010 angekündigt. Dazwischen jedoch kamen Geldmangel und die ägyptische Revolution. Und so stehen die beiden Hochkräne über der Außenhülle, die das Aussehen einer geviertelten, aufgesprengten Pyramide hat, inzwischen seit zwei Jahren still. Im Inneren hat das Gebäude fünf Stockwerke mit 14 Ausstellungsräumen, einen Konferenzsaal sowie Platz für ein Ausbildungsinstitut für Restauratoren. Geplant sind zudem eine ausgedehnte Gartenanlage, ein Open-Air-Auditorium mit 800 Plätzen sowie eine Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe, die eines Tages die Besucher bringen solle.

Grabkammern mit Säulenhallen oberhalb der Stadt

 Relief-Darstellung der königlichen Familie in der Grabkammer des Hohepriesters Merire.
Relief-Darstellung der königlichen Familie in der Grabkammer des Hohepriesters Merire.
© Katharina Eglau

Doch der ägyptischen Antikenbehörde mit ihren 30 000 Angestellten sind die Hände gebunden. Seit dem Abgang des allmächtigen und umtriebigen Matadors Zahi Hawass im Juli 2011 fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Vier Nachfolger sind seither gekommen und bald wieder gegangen. Da sich die Administration allein aus Tantiemen, Grabungsgebühren und Eintrittsgeldern finanziert, macht ihr vor allem der Einbruch im Tourismus schwer zu schaffen. „Der Geldmangel ist unser größtes Problem“, bekennt der gegenwärtige Chef Mohamed Ibrahim, und kündigte an, er werde die bislang relativ niedrigen Eintrittspreise für ausländische Besucher bald drastisch erhöhen.

Gleichzeitig will sich die Antikenverwaltung am Nil künftig ganz auf absolute Großprojekte wie das Nationalmuseum in Giza konzentrieren und sucht für kleinere Vorhaben neue Kooperationen mit ausländischen Partnern. Und so trug man vor einem Jahr den Deutschen die Fertigstellung und Ausstattung des Amarna- Museums in Minia an – für den Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Kairo, Stephan Seidlmayer, „eine wunderbare Aufgabe“. Denn die deutsche Archäologie ist mit Amarna seit 100 Jahren eng verbunden. Hier entdeckte Ludwig Borchardt am 6. Dezember 1912 die weltberühmte Büste der Nofretete, die heute im Ägyptischen Museum Berlin ausgestellt ist. In den Felsen oberhalb der einstigen pharaonischen Stadtfläche befinden sich zudem teilweise gut erhaltene Grabkammern, manche mit regelrechten Säulenhallen. In dem Grab des Hohepriesters Merire ist das Königspaar abgebildet, wie es zum Sonnentempel fährt, gefolgt von Prinzessinnen und Hofstaat sowie erwartet von Priestern und Musikanten. Das Grab des Panehesi, Vorsteher der Getreidespeicher und des Viehs, wurde in christlicher Zeit zu einer Kirche mit Taufbecken umgestaltet. Zehn Kilometer weit abgelegen im Wadi Abu Hasah el-Bahri existiert auch noch das Grab der Familie von Echnaton, das jedoch nicht für den Herrscher selbst benutzt wurde. Lediglich in einem Seitenflügel ließ er seine früh verstorbene Tochter Meketaton bestatten. Und Reliefs zeigen das Königspaar, wie es ihr Kind am Totenbett beweint.

Eine positive Geste der ägyptischen Seite

Rohbau des Amarna-Museums in Minia.
Rohbau des Amarna-Museums in Minia.
© Katharina Eglau

Im Mai reiste die Chefin des Ägyptischen Museums Berlin, Friederike Seyfried, dann zu einer ersten Besichtigung des halbfertigen Museumsbaus nach Minia. Im kommenden Frühjahr sind erste Treffen zwischen Baufirma, ägyptischer Antikenverwaltung und deutschen Fachleuten geplant. „Beide Seiten müssen zunächst einmal ausloten, wie man das am besten zusammen bewerkstelligen kann“, sagt Seyfried. Eine Eröffnung bereits im Jahr 2013 jedoch, wie in der ägyptischen Presse spekuliert, schließt sie definitiv aus. „Ein frommer Wunsch“, meint sie, zumal eine Finanzplanung und eine Finanzierung bisher fehlen. Ungeklärt ist nach ihren Worten auch, ob sich die Bundesregierung aus ihrem 100-Millionen-Euro-Fond für die so genannten Transformationspartnerschaften mit Ägypten, Libyen und Tunesien beteiligt, der auch Mittel für kulturelle Projekte vorsieht.

Nach dem Wunsch von Seidlmayer soll der ungelöste Konflikt um die Büste der Nofretete „das sensationelle Vorhaben“ nicht überschatten. Tell el-Amarna sei beiden Völkern wichtig, eine Schlüsselepoche für Ägypten und Deutschland. „Das neue Museum in Minia kann zum Symbol werden für die Gemeinsamkeit der beiden Nationen“, hofft Seidlmayer. Die Berliner Museumschefin Friederike Seyfried dagegen sieht das etwas kantiger. Das Angebot, das Museum zu vollenden, sei „eine positive und schöne Geste der ägyptischen Seite“, sagt sie. Dieses Projekt aber „ist von der Nofretete vollkommen abgekoppelt“.

Martin Gehlen

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