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Matthias Hofmann.
© Privat

Wettbewerb: Die besten Comics des Jahres - Matthias Hofmanns Favoriten

Nach unseren Lesern nennt jetzt die aus neun professionellen Comiclesern bestehende Jury ihre Favoriten des zu Ende gehenden Jahres. Heute: Matthias Hofmann (Alfonz - Der Comicreporter)

In den vergangenen Wochen haben wir unsere Leser gefragt, welches für sie die besten Comics des Jahres 2012 waren. Mehr als 100 Einsendungen mit teilweise ausführlichen Begründungen erreichten uns, hier ist eine Auswahl davon dokumentiert.

Jetzt ist die Fach-Jury dran. Sie besteht aus Anne Delseit (AnimaniA, Comix), Lutz Göllner (zitty), Volker Hamann (Reddition), Matthias Hofmann (Alfonz), Martin Jurgeit (Comixene), Stefan Pannor (Spiegel Online), Frauke Pfeiffer (Comicgate), Andreas Platthaus (FAZ) und Lars von Törne (Tagesspiegel).

Jedes Jurymitglied war aufgefordert, unter den im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienen Titeln seine fünf Favoriten zu nennen und die Auswahl kurz zu begründen. Hier die Antworten von Matthias Hofmann, Chefredakteur der Fachzeitschrift Alfonz - Der Comicreporter.

Herausragend: "Johann & Pfiffikus" und "Gegen den Strom".
Herausragend: "Johann & Pfiffikus" und "Gegen den Strom".
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Platz 5: Peyo: „Johann und Pfiffikus“ Gesamtausgabe Bände 1-5 (Splitter/toonfish)
Gesamtausgaben von alten Klassikern gibt inzwischen so viele, dass man sie als wichtiges Inventar akzeptiert hat. Peyos „Johann und Pfiffikus“ ist jedoch nicht irgendein alter Comic, der vor vielen Jahren viele Leser begeistert hat. Die im Funny-Stil gezeichneten Abenteuer sind in der Tat zeitlos und so lebendig und witzig, dass man sich auch 2012 bestens unterhalten fühlt. Wer abseits von ausgetretenen Pfaden wie Asterix und Lucky Luke eine Serie sucht, die man blind seinem Kind in die Hand drücken kann, und die einen selbst blendend unterhält, ist hier richtig. Das sind richtig wohlige "Feelgood Comics". Darüber hinaus muss man dem Splitter-Imprint toonfish hier ein besonderes Kompliment machen, da der Verlag mit dieser fünfbändigen Gesamtausgabe eine Edition produziert hat, die mit dem Bonusmaterial, den Extraseiten und der mustergültigen Bearbeitung keine Wünsche offen lässt.

Platz 4: Yoshihiro Tatsumi: „Gegen den Strom – Eine Autobiografie in Bildern“ (Carlsen)
Tatsumis voluminöse Autobiografie gehört nicht nur zu den wichtigsten Manga-Novitäten des Jahres 2012, sondern zu den wichtigsten aller Zeiten. Denn die mehr als 800 Seiten Comicbildungsroman erzählen nicht nur die Geschichte eines der prominentesten Mangaka Japans, sondern der Leser sitzt in der ersten Reihe und kann miterleben, wie die Manga-Branche in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und erblüht ist. Man sieht die Geschehnisse, inklusive der diversen Auswüchse, mit den Augen eines Insiders, der ein wichtiges Teil im Getriebe des Comicindustriemotors war, der sich aber schließlich gegen die starren Konventionen gewehrt und ein eigenes Genre (Gekiga) mitbegründet hat. Aber als ob das nicht schon vielschichtig genug wäre, hat Tatsumi auch japanische Zeitgeschichte auf seiner persönlichen Zeitreise durch die Jahre 1945 bis 1960 im Gepäck und jubelt diese dem Leser quasi nebenbei als perfektes Infotainment unter. Wer Lebensgeschichten von faszinierenden Charakteren wie Hans Castorp oder Holden Caulfield mag, ebenso wie die Historie Japans und des japanischen Comics, ach was, wer einfach gerne Erzählungen über authentische Charaktere und deren Coming-of-Age liest, der wird hier seine wahre Freude haben.

Online wie auch in Buchform gelungen: "Die Wormworld Saga".
Online wie auch in Buchform gelungen: "Die Wormworld Saga".
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Platz 3: Daniel Lieske: „Die Wormworld Saga, Band 1: Die Reise beginnt“ (Tokyopop)
Daniel Lieskes „Die Wormworld Saga“ landet bei mir auf Platz 3, weil ich damit meinen Hut vor einem absoluten Ausnahmetalent ziehe. Er tauchte aus dem Nichts auf, präsentierte online und gratis für alle den Start seines Fantasy-Comics und begeisterte international die Massen. Die Geschichte des Jungen Jonas, der Angst vor Feuer hat und in eine wundersame Fantasy-Welt reist, ist formal in jeglicher Hinsicht ein Ritt auf der Rasierklinge. Trotzdem ist das fertige Produkt in höchstem Maße überzeugend. Denn trotz aller in der Handlung vorkommenden Klischees und altbekannter Zutaten, stellt sich kein Déjà-vu-Effekt ein. Im Gegenteil: Die Zeichnungen sind schön, die Farben leuchten, die Charaktere sind sympathisch – und die Form der Endlosen Leinwand, des unendlichen Panels, das online ein Blättern überflüssig macht, ist so simpel wie grandios. Das Überraschende ist, dass die Transformation ins gedruckte Buch nur wenig von dem Charme des Onlinecomics nimmt. Tokyopop hat aus den ersten drei Kapiteln eine mustergültige Version gebastelt, die mit Extras und einem sehr günstigen Preis aufwartet. Hier haben alle Beteiligten in jeder Hinsicht alles richtig gemacht. Mit der „Wormworld Saga“ entsteht eine Marke, die alle Altersgruppen anspricht und das Potential hat, über viele Jahre, auch international, zu bestehen. Das gibt's nur alle fünf bis zehn Jahre. Wenn überhaupt. 

Hier finden Sie die Top-Favoriten von Matthias Hofmann

Spitzentitel: "Blast" und "Packeis".
Spitzentitel: "Blast" und "Packeis".
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Platz 2: Simon Schwartz: „Packeis“ (Avant)
„Packeis“ gehört für mich zu den wichtigsten Neuerscheinungen des Jahres, weil die Summe der besonderen Eigenschaften dieser Graphic Novel sie aus der Masse herausragen lässt. Erstens zeigt sie, dass deutsche Autoren auch international salonfähige Geschichten erzählen können. Zweitens beweist Simon Schwartz, der fast noch als Newcomer durchgeht, mit seinem zweiten Werk, dass sein Debüt „drüben!“ kein One-Hit-Wonder war. Drittens belegt „Packeis“, dass Grafik und Story eine Einheit bilden müssen, um einen wirklich überzeugenden Comic zu ergeben. Solch feines Gespür für gute Stoffe und deren gelungene Umsetzung in die Neunte Kunst haben leider nicht viele, auch wenn sie es meinen. Abenteuer, Historie, Sozialkritik und Politik bilden bei „Packeis“ eine gelungene Mischung. Mit diesen Zutaten und einem weiterentwickelten, zum Teil stilisierten Zeichenstil trifft Simon zum zweiten Mal ins Schwar(t)ze.

Platz 1: Manu Larcenet: „Blast Band 1: Masse“ (Reprodukt)
Kaum ein Comic hat mich dieses Jahr so stark berührt wie „Blast“. Larcenets neuester Streich ist mehr als eine Krimigeschichte und die Dekonstruktion einer kaputten Persönlichkeit. Es ist eine Reise in die Abgründe der Psychoanalyse, erzählt mit ausgefeilten schattierungsreichen Schwarzweißzeichnungen und viel Wasserfarbengrau. Nur eines ist farbig. Und das ist der Blast.Die Geschichte um den Fettsack Polza Mancini, um den man einen riesigen Bogen machen würde, träfe man ihn auf der Straße, nimmt den Leser mit und fesselt ihn von Anfang bis zum Schluss. Die Bildeinstellungen, das Timing der Handlungsebenen und diese grandiosen Dialoge lassen einen nicht mehr los. Auch dann nicht, wenn man nach beendeter Lektüre das Buch zugeklappt hat.

Die Favoriten der anderen Jurymitglieder finden sich zum Teil bereits unter diesem Link, die übrigen veröffentlichen wir nach und nach in den kommenden Tagen. Am 12. Dezember geben wir die Gewinner der Gesamtauswahl bekannt.

Matthias Hofmann

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