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Das Tier in mir. Alexander Ekmans neues Ballettstück „LIB“.
© Jubal Battisti

Staatsballett Berlin: Die Ballerinas tanzen im Haarkostüm

Schüttel dein Fell: Das Staatsballett Berlin zeigt zwei Uraufführungen von Alexander Ekman und Sharon Eyal.

Der Mann in schwarzem Anzug, der durch das Foyer der Staatsoper Unter den Linden flaniert, zieht alle Blicke auf sich. Kein Wunder, trägt er doch einen Turm aus Kunsthaar auf seinem Haupt, bei dem jede Dragqueen vor Neid erblassen würde. Kurz defiliert er auch über die Bühne, als Vorspiel zum neuen Ballettabend. Mit zwei Uraufführungen von Alexander Ekman und Sharon Eyal will das Staatsballett Berlin vor allem ein jüngeres Publikum ansprechen. Die Arbeiten des Schweden zeichnen sich oft durch einen schrägen Humor aus. Für das Stück „LIB“ (von liberation, Befreiung) hat er sich von den Kreationen des französischen Haarkünstlers Le Mindu inspirieren lassen, der auch schon Perücken für Lady Gaga entworfen hat.

Zunächst tritt Ksenia Ovsyanick in hautfarbenem Trikot auf. Sie trippelt auf der Spitze, geht ins Spagat, knipst ein Lächeln an. Dabei verrutscht ihr der Unterkiefer vor Anstrengung. Auch die drei anderen führen die extreme Disziplinierung des Körpers vor, für die klassische Ballettkunst steht. Aurora Dickie, Elisa Carrillo Cabrera und Polina Semionova verbiegen ihre Körper, brechen aber schon mal aus dem klassischen Vokabular aus und zeigen eckige Bewegungen. Die Frauen stecken im Zwangskorsett.

Die vier überspannten Ballerinen bekommen es mit einer Bühnenkreatur zu tun, die sich scheinbar von einem Stern in die Staatsoper verirrt hat. Johnny McMillen tritt in einem Haarkostüm auf, für das Chewbacca, der Wookie vom Planeten Kashyyyk aus „Stars Wars“, Pate stand. Auch Einflüsse eines afghanischen Windhundes sind erkennbar. Nicht nur den Körper, auch das Gesicht bedecken platinblonde Fransen. Zu dem Talking-Heads-Song „Take me to the river“ rollt das haarige Ungetüm zunächst über den Boden und schüttelt sich dann nach Lust und Laune. Die prächtige Mähne schwingt bei jeder Bewegung mit und bauscht sich bei Pirouetten besonders hübsch auf.

Als Hintergrund-Projektion erscheint die Wortfolge: No, Never, Maybe, OK. Bald treten die Frauen in Haarkostümen in unterschiedlichen Blond-, Kupfer- und Brauntönen auf, schlenkern mit den Armen und tanzen mit Fransen. Es gehört schon Chuzpe dazu, die Spitzenkräfte des Staatsballetts als Zottelmonster zu verkleiden. Mach dich locker! Schüttel dich frei! So lautet die Botschaft von Alexander Ekman. Wenn es denn so einfach wäre! „LIB“ ist keine große Tanzkunst, aber ein Riesenspaß.

Sharon Eyal hat dem Staatsballett schon einmal Glück gebracht. Ihr Stück „Half Life“, das zum Auftakt der Intendanz von Johannes Öhman und Sasha Waltz gezeigt wurde, entwickelte sich zum Renner. Die großen Ballettcompagnien reißen sich um die israelische Choreografin. Nun hat Eyal gemeinsam mit ihrem Partner Gai Behar eine Neukreation für die Compagnie erarbeitet. Eyal hat einen hoch artifiziellen Stil entwickelt. Auch in „Strong“ variiert sie ihre Handschrift. Die 17 Tänzer schweißt sie zu einem Kollektiv zusammen, das sich zwischen Drill und Ekstase bewegt. Die schwarzen Trikots sind überwiegend transparent und lassen viel Haut sehen.

Die Truppe wirkt wie eine Tanzmeute

Die Tänzer lassen an eine zuckende Masse in einem Techno-Club denken, dann wieder erinnern sie an Roboter. Mit ihren schlängelnden Armen muten sie wie eine unheimliche Kreatur an. Im Halbdunkel bilden sie eine Reihe, die sich vor- und zurückschiebt, um immer tiefer in ein tiefes Plié zu sinken. Das Kollektiv diktiert hier die Bewegungen, doch dürfen Einzelne aus der Reihe tanzen, sich in Manierismen ergehen. Kontrolliert und durchgetaktet, dann wieder extravagant und verrucht wirkt diese Tanzmeute. Das Stimmengewirr vom Anfang geht in Techno-Klänge über, die Ori Lichtik diesmal mit einem melodiösen Song für Gesangsstimme kombiniert.

[Wieder am 12., 18., 19.12., um 19.30 Uhr]

Eyal arbeitet mit ständigen Repetitionen und kleinen Verschiebungen. Nach einer halben Stunde aber ist die Luft raus. Zum Schluss steht eine Tänzerin an der Rampe und wiederholt die ewig gleichen Muster. Wir machen einfach weiter, treten auf der Stelle – auch davon kündet das ambivalente Stück. Die Tänzer bewegen sich noch nicht völlig synchron, aber sie machen den Sog deutlich, der von diesem Kollektiv ausgeht.

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