West-Eastern Divan Orchestra in der Waldbühne: Dialog, Streit, Versöhnung
Musik von hohem Symbolwert in unruhigen Zeiten: Daniel Barenboim und das West-Eastern Divan Orchestra spielen Beethoven und Tschaikowski in der Waldbühne.
Dieser Tage ist es schwer vorstellbar, das Gefühl, das Daniel Barenboim überkommen haben dürfte, als er im August 2011 Beethovens Neunte über die konfliktgezeichneten Grenzen Südkoreas in den kommunistischen Norden hinwegdirigierte. Die Musik als Künderin, Schillers „Ode an die Freude“ als Botschaft, dahinter die jungen Symphoniker des West-Eastern Divan Orchestra, das Barenboim 1999 in der Hoffnung mitbegründete, die Vision eines friedlichen Miteinanders in die Welt tragen zu können. Und man wünscht sich am Samstag in der Berliner Waldbühne, dass seine Idee bis in das vom Bürgerkrieg erschütterte Mossul schallt.
Barenboim dirigiert Beethovens Tripel-Konzert vom Flügel aus
Mit Ende des Nieselregens eröffnet der Generalmusikdirektor der Staatsoper den Open-Air-Abend, wieder ist es Beethoven, diesmal allerdings das Tripelkonzert op. 56. Vom Flügel aus dirigiert er die Musiker im Alter von 14 bis 25 Jahren: leichtfingrig, spritzig, fast jugendlich, um dann mit dem iranischen Cellisten Kian Soltani und dem ehemaligen Philharmoniker-Konzertmeister Guy Braunstein gemeinsam die Solopartien zu bestreiten. Ein wechselhaftes Miteinander, ein Dialog, der in den Streit umschlägt – und zurück in die Versöhnung: auch das ein Musizieren von hoher symbolischer Qualität.
Nach der Pause geht Barenboim mit Tschaikowskis vierter Sinfonie in die Vollen, schmachtet sich durch das Andante, lässt das Orchester groß auffahren und derart nuanciert wieder ins Pianissimo abklingen, dass das Zirpen der Grillen und das Vogelgezwitscher ringsum mitunter die Oberhand gewinnen – immer einer der schönsten Momente im Waldbühnenrund. Im Publikum auf den fast ausverkauften Rängen finden sich Prominente aus Kultur, Politik und Showbusiness, von Kulturstaatsministerin Monika Grütters über den Regierenden Michael Müller und seinen Kulturstaatssekretär Tim Renner bis zu den Schauspielern Martina Gedeck, Katja Riemann, Uwe Ochsenknecht und Armin Rohde. Die Zuschauer bedanken sich mit einem Handy-Lichtermeer. „Wir sind heute sehr glücklich“: Barenboim zeigt sich ergriffen - und wählt als Zugabe dennoch Sibelius ’ „Valse triste“. Fast wäre man in der drückenden Schwüle schon melancholisch heimwärts getaumelt, hätte der Maestro nicht noch ein As im Ärmel. Am Ende überlässt er das Pult einem jungen Dirigenten, dem 26-jährigen Israeli Lahav Shani, der mit viel Temperament zum finalen Feuerwerk aufspielen lässt.